Diese große Verzweiflung darüber, nicht zu wissen, was das Leben ist. Nicht zu
wissen, welchen Platz man darin einnehmen soll. Nicht zu wissen, was richtig
ist und wer man denn nun wirklich ist. Diese irrsinnige Verstrickung im
Karussell der Gedanken, das sich in einem Affentempo, um sich selbst dreht.

Dieses Taumeln, dieses Straucheln, dieses Fassen ins Nichts. Diese große
Sehnsucht nach Ruhe, nach Ankommen.
Menschen, die fragen, bekommen Antworten. Von Menschen, die Fragen
beantworten. Wir wollen nicht verstehen, dass die Fragen selbst
Teil des Problems sind.

Antworten sind nicht das Leben

Wir wollen einfach nicht verstehen, dass alle Antworten auf Fragen nur
Antworten auf Fragen sind, aber nicht das Leben selbst. Das wollen wir gar nicht.
Wir wollen das pure Leben nicht.

Wir wollen das Leben, das wir uns vorstellen können. Das Leben unserer
inneren vier Wände. Wir leben uralte Gedanken, von Generationen weitergegeben
an uns. Gedanken, die wir weitergeben an die nächsten Generationen, die immer
vorbeizielen an dem, was wirklich ist. Weil wir es nicht besser wissen wollen,
wir behaupten es nur.

Wir vererben Gedanken der Verzweiflung, der Angst, der Traurigkeit.
Gedanken der Kleinheit, der Lieblosigkeit, der Gewalt und Verwirrung.

Wir müssten schweigen wollen

Wir tun das, ohne uns darüber bewusst zu sein. Denn aus dem Gedankensystem,
das wir für uns selbst halten, gibt es kein Entrinnen. Es kann nur sich selbst
denken. Um sich zu übersteigen, müsste es sich selbst vernichten.
Doch dafür müsste es schweigen wollen.

Schweigst Du aber, nimmst du nicht mehr an der Welt teil, die Du kennst.
Du gehörst nicht mehr dazu. Das will das Schaf nicht. Es will bei der Herde
bleiben. Weil es da so angenehm ist.

„Der Wolf wird mich fressen, wenn ich alleine dastehe“, denkt das liebe Schaf.
„Ich bleibe lieber wo ich bin.“

Es ist angenehm verzweifelt zu sein

So ist das eben. So ist es programmiert. Es ist im Grunde genommen angenehm
verzweifelt zu sein, weil es das ist, was wir kennen. Damit kennen wir uns aus.
Das ist sicher. Die Verzweiflung wurde und wird in all ihren Facetten beleuchtet,
durchleuchtet, analysiert, beschrieben, besungen, verfilmt und dargestellt.
Alle wollen sie loswerden und klammern sich doch an sie.

Was wären wir ohne Verzweiflung? Nicht mehr wir selbst. Wir wären etwas, das
wir nicht kennen, etwas Fremdes, Beängstigendes. Die Erleuchteten der Welt
lachen uns aus, oder mühen sich mit uns ab, je nach Temperament, weil sie
das Spiel schon kennen. Sie haben es durchschaut und sitzen am anderen Ufer.

Sie sind in den Abgrund gesprungen, den „Ich weiß nicht was jetzt kommt“ –
Abgrund. Sie schwimmen im Meer der Unwissenheit und erkennen
den Ausgang darin.

Wir wollen weiter spinnen

Wir aber rennen durch die Zimmer unseres Denkens und finden den Ausgang
einfach nicht. Weil wir uns die Augen zuhalten. Und die Ohren. Und was man
noch so braucht zum Wahr-nehmen.

„Es ist so entsetzlich schwer den Gedanken nicht zu folgen“, schreien
wir verzweifelt.

Wir wissen um ihre Phantomhaftigkeit und doch sind wir ihnen ausgeliefert.
Wir lassen uns von Geistern herumscheuchen und zu Gefühlen zwingen, die
uns Unsinn treiben lassen.Und dabei nehmen wir uns auch noch ernst.

Brauchen wir eine Katastrophe?

Was für ein blödes Spiel. Dabei müssten wir nur unsere fünf Sinne benutzen
und uns an das halten, was tatsächlich vor sich geht. Aber dazu müssten wir
hinsehen wollen. Und das wollen wir womöglich erst dann, wenn wir keine
andere Wahl mehr haben.

Und wann ist das? Dann wenn alles zusammengebrochen ist, was wir kennen.
Dann bleibt uns nichts mehr anderes übrig, als zu sehen, was tatsächlich ist.

Was können wir also tun? Nichts. Gar nichts.
Nur zusehen, wir wir uns selbst zerstören. Oder?

In Verbundenheit, Deine Nicole