Der weiche Schnee taut unter meinen Stiefeln. Lose aneinandergereihte Wassertropfen, energetisch zusammengehalten von veränderlichen Energiegittern. Veränderliche Energiegitter … Genau das erlebe ich gerade in meinem Leben. Die Sonne strahlt an diesem Nachmittag und blendet meine Augen. Mein Blick sucht nach einem dunklen Halt und findet ihn in einer braunen Hecke, in der Millionen Wassertropfen glitzern. Die Luft ist glasklar, der Himmel blau und über mir die Bäume, weinen den tauenden Schnee in die Pfützen zu meinen Füßen.
Ich weine mit und fühle den salzigen Geschmack auf meinen Lippen. Alles verändert sich. Das hat es schon immer getan. Und die Bäume vor mir und der Schnee unter mir und die kalte Luft auf mir flüstern in ihrer eigenen Sprache von Wandel und Beständigkeit.
Alles verändert sich. Das hat es schon immer getan
Strukturen lösen sich auf. Solche, die mir lieb geworden waren, solche, die mich geformt haben, solche, die zu eng geworden sind. Vor mir liegt ein neues Leben, von dem ich nichts weiß, außer, dass es neu ist. „Ich weiß nicht“ zu sagen, ist so schmerzhaft wie befreiend. So angsteinflößend, wie leicht und schwebend. Ich weiß nicht. Ich fühle nur. Ich fühle nur… mich. Darf ich das?
Das habe ich mich mein ganzes Leben lang gefragt. Darf ich das fühlen, was ich fühle?
In meine Tagebücher habe ich es hineingeschrieben, als Kind schon. Als sie gelesen wurden und ich den Schmerz, das Unverständnis erkannte, das sie in anderen auslösten, wusste ich: Nein, ich darf es nicht. Erst, wenn es den anderen gut geht, darf ich fühlen, was ich fühle. Ich muss ihnen helfen, dass sie stark werden, mich zu ertragen.
Das war das Fazit, das mich mein ganzes Leben lang begleitet hat. Und nun, löst sich dieser Gedanke in mir auf. Er löst sich auf und hinterlässt nur: Mich als das, was sich in mir fühlt. Ruhig, klar, tief und grundlos. Es möchte sich bewegen in mir, als es selbst, ohne beschnitten zu werden, von mir und meiner Angst.
Ich darf fühlen, was ich fühle. Ich darf mich zumuten, ich darf alles in mir zulassen, was da ist. Und ja, es hat Konsequenzen. Es ruft Schmerzen hervor, da, wo ich stehe. In mir, in anderen. Veränderliche Energiegitter zerfallen, ziehen sich zurück, formen sich neu.
Bäume werden ausgerissen, mitsamt ihren Wurzeln. Das tut weh. Überall.
Es tut weh.
Vögel kreisen über den kahlen Baumwipfeln und die kalte Luft trocknet meine Tränen, die mir zeigen, wie sehr ich mein altes Leben geliebt habe, wie schwer mir die Loslösung fällt.
Ich lege meine Hände auf mein Herz und fühle es schlagen. Es schlägt. Für mich, für mein Leben, für alles, was ich liebe und alles, was ich bin und sein kann.
Das Leben antwortet mir. Es zeigt mir neue Möglichkeiten, es verbindet mich mit neuen Mustern, es lässt mich neue Erfahrungen machen und mich ausdrücken, so klar, so deutlich, so echt und ohne irgendetwas zu wissen. Ich bleibe eine Unwissende für mich und das Leben, eine ewige Anfängerin, ein beständiges Verweilen im Staunen über alles, was ist.
Aus diesem Staunen heraus entfaltet sich die Liebe für dieses endlose Mysterium, in dem ich mich bewege. In dem mir zu Füßen ein Regenwurm erscheint und so kostbar wird, in seiner hilflosen Unschuld, wie der klare Sonnenstrahl, der im Zwielicht den Frühabend erhellt und mir den Weg weist. Endlos zu mir hin.
Das Leben antwortet immer
Das Leben ist viel größer, als wir es uns denken können. Das Leben ist viel reicher, als wir es erkennen können, es ist viel direkter, als wir fühlen können, es antwortet immer. Es antwortet als direkter Ausdruck von uns selbst, je klarer, je freier, je tiefer wir uns fühlen und uns trauen ihm zu folgen.
Das Leben ist in Resonanz mit sich selbst und antwortet auf Vertrauen, mit Vertrauen. Und das ist es, was ich will, immer wieder neu: Mir vertrauen. Ins Leben vertrauen, denn da gibt es keinen Unterschied.
In Verbundenheit, Deine Nicole
Hier gehts zu meinem Blogeintrag über Urvertrauen.