„Das, was wir als real erfahren, ist die Manifestation unserer Interpretation des Wahrnehmungsausschnittes den wir aus dem Pool aller zugrunde liegenden Informationen filtern können.“

So lange wir das Leben und seine Umstände, Situationen und Begebenheiten als etwas betrachten, das uns widerfährt, von dem wir aber getrennt sind, so lange werden wir auch Konzepte brauchen, die uns Orientierungshilfen sind, die uns Landkarten liefern, die das Gebiet, in dem wir uns bewegen, scheinbar beschreiben. So lange das so ist, halten wir uns innerhalb eines Konzeptes auf, das wir für die Realität halten, in der alle anderen sich auch befinden.

Dann gibt es darin so etwas wie eine Wahrheit, die für alle gilt, dann orientieren wir uns aneinander, dann gibt es „Normalität“, Regeln und allgemeine Richtlinien, nach denen wir uns zu richten haben, damit es (das Leben) funktioniert.

So lange ich glaube, dass es etwas gibt, das „außerhalb“ von mir (als Wahrnehmung) existiert, bin ich Opfer aller Umstände, habe ich Schuld oder nicht Schuld, bin ich verantwortlich oder nicht, bin ich stolz, wenn ich etwas erreiche, und unglücklich, wenn ich scheitere. Ich erlebe und erleide mich und „die Welt“.

Licht im Dunkeln

Die Mehrheit aller Menschen erleben Realität als solche und können sich nicht vorstellen, dass das Leben, das wir als unsere Umstände, Situationen, Begebenheiten erfahren, eine exakte Antwort auf unsere Innerlichkeit ist.

Mein Schatten und ich – sind eins.

Innen und Außen sind das Gleiche in unterschiedlicher Form.

Ich öffne jeden Morgen die Augen und befinde mich augenblicklich in meiner Wahrnehmung. Ich sehe, ich höre, ich rieche, ich schmecke und fühle. Auf den ersten Blick sieht es wirklich so aus, als ob es ein Außen gibt, das durch meine Sinne in mich eindringt. Bilder, Klänge, Gerüche, Empfindungen … sie kommen zu mir. So wirkt es, so sieht es aus.

Doch auf den zweiten Blick kann ich erkennen, dass das, was ich als bewegtes Bild vor meinen Augen sehe, kein eigenständiges Außerhalb sein kann, weil erstens jeder auf die gleiche Weise sehen müsste wie ich, und weil zweitens in Wirklichkeit kein Licht in meine Augen dringt. Es entsteht im Gehirn.

Es wird „errechnet“. Wenn ich die Augen schließe, wird es dunkel. Weil es an dem Ort, an dem die Informationen zusammenfinden, dunkel ist. Was ich durch die Augen sehe, ist der Film, den mein Inneres in eine weitere Innerlichkeit (die ich als Außen wahrnehme) projiziert. Im Grunde haben wir alle eine eigene Brille auf, wissen das aber nicht.

Reine Information

Was meine Augen wahrnehmen, wird in meinem wunderbaren Gehirn zu einem bewegten Bild zusammengesetzt. Was meine Sinne in Wirklichkeit wahrnehmen, sind reine Informationen, die aufgrund meiner Disposition, meiner „Veranlagung“ ausgewertet und mir als Bild ausgegeben werden. Ich kann nur das sehen, was „mein Rechenzentrum“ von den vorhandenen Informationen auswerten kann.

Eine Fliege, ein Hund, eine Raupe … nehmen die Welt vollkommen anders wahr als wir, obwohl sie auf die gleichen Informationen zurückgreifen. Sie haben nur andere Möglichkeiten der Wahrnehmungsverarbeitung, weil für sie andere Informationen von Belang sind.

Was ich also wahrnehme, ist keine äußerliche Realität, die alle gleich wahrnehmen, sondern die Bedeutung, die ich der Interpretation der Informationen beimesse. Und das ist ein Akt im Unterbewussten. Und das kann mir bewusst werden und sich dadurch verändern.

Was ich sagen kann ist: Das Unbewusste ist ein gigantisches Meer aus Informationen über alles, was möglich ist. Und das in einer Vollständigkeit, Detailgenauigkeit und Unerschöpflichkeit, die ich mir niemals vor-stellen kann. Weil das hieße, dass ich das Unbewusste – und damit alle Möglichkeiten von Existenz – überblicken könnte.

Wenn ich das könnte, wäre ich vollständiges, sich seiner selbst bewusstes Bewusstsein und würde das Unbewusste damit auslöschen. Das könnte ich nur, wenn ich aller Struktur und Form beraubt wäre, denn Struktur und Form sind nichts als Wahrnehmungsbegrenzungen.

Der Pool aller Möglichkeiten

Und das geschieht im Allgemeinen erst, wenn das eintritt, was wir Tod nennen. Dann verlasse ich die Begrenzung und trete ein in das Unbegrenzte, das Unmittelbare, in die Unendlichkeit. Kurz: in den Pool aller Möglichkeiten.

Solange ich an (m)eine Form gebunden bin, ist meine Wahrnehmungsmöglichkeit begrenzt und ich kann nur das mitbekommen, was durch mich möglich ist.

Jetzt kommt es eben darauf an, ob ich mitbekomme, was ich mitbekomme. Wenn mir bewusst wird, dass das, was ich wahrnehme, eine Antwort auf meine Innerlichkeit ist, dann habe ich keinen Grund mehr, dieser Innerlichkeit auszuweichen, indem ich fortfahre, mich an dem zu orientieren, was ich „da draußen“ sehe. Das wäre ziemlich absurd – so als würde ich meinem Spiegelbild die Pickel ausdrücken wollen.

Dann fange ich an wahrzunehmen, wie problematisch das ist, was ich mitbekomme, und wende mich dem Schmerz zu, anstatt ihm auszuweichen. Ich erkenne ihn als Hinweis auf eine Sichtweise, die in mir wirkt. Und nicht als feststehendes, unumstößliches Ereignis, dem ich leider ausgeliefert bin.

Realität als Folge Deiner Sichtweise

Schmerz ist nicht etwas, das mir geschieht, weil jemand anderes etwas für mich Unangenehmes getan hat: Mich kritisiert oder verlassen oder beleidigt hat … Er ist die Folge einer Sichtweise, die das, was jemand anderes getan hat, als unangenehm für mich bewertet und meiner Beziehung zu diesem Unangenehmen.

Die große Realisation von Freiheit entsteht dann, wenn ich meinen Blick so weiten kann, dass ich sehen kann, wie sich die Dinge zusammensetzen.
Das kann ich aber erst, wenn ich frei bin zu sehen.

Frei sehen bedeutet, aus dem Strudel der Bedeutungen auszubrechen und zu sehen, wie Bedeutung durch mich entsteht und mir gleichermaßen widerfährt.

Ich nehme also das wahr, was mein Gehirn sich zusammenbraut aus den Informationen, die es empfängt und dieses Gebräu (diese Interpretation) durch meine Augen sendet. Diese Sendung ist es nun, die ich wahrnehme und die mir als Lebensgrundlage dient.

Da beißt sich der Hund wieder in den Schwanz. Großartig!

Du kannst Dich jetzt hineinverbeißen und versuchen zu „verstehen“, was ich da geschrieben habe, oder Du lässt es einfach wirken und schaust mal …

In Verbundenheit, Nicole

 

8 Kommentare

  1. Ursula Sautter

    Liebe Nicole,
    vielen Dank für deinen Newsletter.
    Ich bin immer wieder ergriffen von dieser brillanten Klarheit und Reinheit deines Ausdrucks.
    Ursula

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    • Nicole Paskow

      …von dieser brillanten Klarheit und Reinheit deines Ausdrucks.“ – Der nur in Dir wiederhallt, weil er in Dir angesprochen wird. Alles geht von Dir aus 😉

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      • Anna unterweger

        Wow diese genialen klaren Worte von dir. Das macht meinen bewussten Weg noch stärker u. Freier. Danke von 💕 u. Ich umarme dich. Lg. Anna

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  2. Katrin Heinen

    Liebe Nicole,
    ich liebe deinen Text! Und ich bin so so aufgeregt …

    Ende der 90er hat mir ein Freund, der damals Philosophie studierte, ein schmales Reclamheft in die Hand gedrückt – ‚Was bedeutet das alles‘ von Thomas Nagel.
    Damals kam ich zum ersten Mal mit Gedanken, die unsere ‚fürgewöhnliche‘ Wahrnehmung in Frage stellen, in Kontakt. Und war fasziniert und beunruhigt gleichermaßen. Mein Weltbild geriet ins Wanken – irgendwie machte es Sinn, wa ich da las. Und ganz verlassen hat mich diese Erfahrung nie …

    Es macht mich zutiefst glücklich grade, dass das alles nun doch noch in meine ‚Realität‘ einfliessen darf – und zwar nicht dunkel und unheimlich sondern zutiefst erhellend. Und auch wenn vieles sich immer noch hart und festgezurrt anfühlt und mir manchmal der Schädel zu platzen scheint vom vielen Erfassen- und Begreifenwollen – darunter fängt es an zu strömen und ich glaube, ich weiss schon, dass ich hier jetzt meinen Weg ins Licht finde … Ganz herzlich, Katrin

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    • Nicole Paskow

      „Es macht mich zutiefst glücklich grade, dass das alles nun doch noch in meine ‚Realität‘ einfliessen darf – und zwar nicht dunkel und unheimlich sondern zutiefst erhellend.“

      Es ist schön, dass Du die helle Seite entdeckst, die Erkenntnis mit sich bringt. Und nicht der Angst folgst, die der Zerstörung einer Weltsicht vorausgeht. Im Mitfließen wird alles zur Eröffnung, in der Du Dich tief und innig wiederentdeckst und erkennst, wie haltlos alle Ängste waren … LG Nicole

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      • Katrin Heinen

        … es gäbe gerade keinen besseren Zeitpunkt für diese Sätze, Nicole. Ja – die ‚Zerstörung einer Weltsicht‘ geht dem Hellen, Neuen voraus. Und die ist bei mir ziemlich umfassend. Im Innen und im Aussen, wie kann es anders sein. Und proportional intensiv ist auch immer wieder die Angst. Sei herzlich gegrüßt!

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  3. Almuth

    Liebe Nicole, nachdem ich deinen Artikel las ,hatte ich gleich die Gelegenheit, praktisch das Gelesene zu erleben. …zu dem Zeitpunkt fühlte ich mich beengt und ein bisschen niedergeschlagen und als ich das las, mit den Errechnungen des Gehirns, wurde mir schlagartig klar,dass da wieder ein Muster aufgerufen wurde , durch Selbstvorwürfe, das Bedürfnis alles richtig zu machen, um sich dann gut zu fühlen. …ja, es ruft sich von selbst auf, wie ein Computerprogramm….und wie du auch irgendwo schriebst von Magie….es war für mich magisch,das in diesem Moment zu erkennen, es löste sich auf. …Ich war erleichtert und demütig . Von Herzen ,Danke !!!!!

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    • Nicole Paskow

      Ja, es ruft sich so lange „ungesehen“ auf, so lange Du glaubst, dass „alles richtig“ zu machen Dir die guten Gefühle beschert,
      die Du willst. Es ist nur kurzfristig und kippt dann wieder um. Denn wenn Du etwas richtig machen kannst, kannst Du auch immer
      etwas falsch machen. Das hört einfach nie auf, weil es als Polarität zusammengehört. Zu sehen, dass sich diese Polarität immer
      wieder „in Dir“ aufführt, kann Dich darüber hinaus gehen lassen, indem Du es siehst. Du siehst den Wald und nicht mehr nur die Bäume.
      Jetzt kannst Du mal sehen, „wer“ da sieht. Die sehende Instanz ist einfach nur da und kann weder etwas richtig noch falsch machen.
      Sie ist einfach. Dich zu sehen und von Dir als Gutes oder Schlechtes zu lassen, das bringt die wirklich guten Gefühle. 🙂

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