Wirkliche Intimität entsteht in einem erwartungsfreien Raum.
Sowohl die Intimität zu mir selbst als auch die zu anderen Menschen. Intim heißt grenzenlos und über alle Grenzen hinweg. Ich erwarte nichts mehr von mir. Ich habe keine Ansprüche, keine Meinung, keine Ideen über mich und in mir. Und wenn ich sie habe, nehme ich sie schweigend zur Kenntnis, ohne auf sie zu reagieren. Sie fliegen dann wie ein Vogelschwarm durch mein inneres Sichtfeld und verschwinden im Irgendwo meiner inneren Sphären. Sie lassen mich zurück als das vibrierende Feld voller Möglichkeiten, die sich zeigen, wenn sie sich zeigen wollen.

Und doch bleibe ich manchmal hängen. An irgendeiner alten Idee, wer ich sein sollte und wer nicht. Dann blicke ich aus dem Fenster und sehe Menschen, Bäume, die Straße, ohne sie zu sehen. Körperlich paralysiert, rennt die Rechenmaschine im Kopf in ihren Kreisbahnen und hält mich, als die Stromschnelle freier Aufmerksamkeit, gefangen. Ich kann nicht weiterfließen. Ich bleibe, wie ein Zweig im Fluss, am Ufer hängen.

Es ist vollkommen unmöglich wirklich alle magnetischen Anziehungspunkte des Unbewussten zu entmagnetisieren. Also alle traumatischen, gedanklichen Einkerbungen zu erlösen. Wir wissen einfach nicht, wie viele es sind. Sie kommen uns besuchen, wie sie wollen und wann sie wollen. Wir sind beeindruckte Menschen und als solche unüberschaubare Schwingungsfelder, die auf allen denkbaren und undenkbaren Ebenen ineinander verwoben sind. Selbst unsere körperlichen Grenzen sind allein unseren Sehgewohnheiten geschuldet. Könnten wir tiefer sehen, würden wir erkennen, dass selbst sie keine Grenze bilden.

Konkrete Unermesslichkeit

Wir sind Unermesslichkeit. Und zwar nicht irgendwo in unserer Vorstellung, sondern real. Hier und jetzt, als die, die wir sind. Wenn wir anfangen das zu berücksichtigen, könnten wir wirklich anfangen zu unseren inneren Regungen zu schweigen. Und nicht sofort auf alles zu reagieren. Aus alter Gewohnheit. Aus dem Nichtsehen heraus.

Selbst wenn ich hängen bleibe, selbst wenn ich tagelang in Gedankenspiralen festkleben sollte, irgendwann bin ich wieder da. Als die wache Aufmerksamkeit, die sich dieses Vorgangs bewusst werden kann. „Ich war absorbiert, verschwunden. Jetzt bin ich wieder da.“ Ich. Verstehe ich endlich, dass ich bewusste Aufmerksamkeit bin? Hiersein in dieser Ungebundenheit, in der Klarheit, dass mich keine unfreiwilligen Gedankenströme mehr mit sich reißen können, ist die Erlösung, um die es immer wieder geht.

Es reicht vollkommen, Dir dessen gewahr zu sein. Immer wieder. Hiersein ist Intimität. Hiersein ist Grenzenlosigkeit, weil kein zwanghafter Gedankeninhalt Dich mit sich reißen und damit in seine Grenzen zwingen kann, wenn Du anwesend bleibst. Wenn zwei Menschen vollkommen anwesend sind, in der Totalität ihrer nicht abgelenkten Aufmerksamkeit, sind sie voreinander nackt. Sie sind als begrenzte Instanzen nicht mehr da.

Nacktheit, die sich erlebt

Zwei Menschen sind hier, als dieser Augenblick und sonst nichts. Keine anderen Räume, keine anderen Menschen, keine Kontinente, kein Universum, Nichts. Nur dieser unbestimmt andauernde Moment, der sich selbst erfährt. Hier verschwinden alle Konzepte von Mann, Frau, Liebe, von Ich und Du. Erleben an sich ist das, was stattfindet. Geistig, emotional und energetisch als Gleichzeitigkeit.

Hier fehlt nichts und niemand. Hier lebt es sich selbst. Die Intimität des Hierseins ist bewusst nur möglich, wenn ich aufhöre in Grenzen zu denken. Wenn ich aufhöre zu wollen und wirklich absichtslos werde. Das ist der Sprung ins Nichts des Vertrauens. Ich rege mich nicht mehr als geistiges Zucken, das als isoliertes Nichtvertrauen in den Fluss des Geschehens eingreift.

Hier lerne ich wahre Impulse von künstlichen zu unterscheiden. Indem ich mir meiner Motive gewahr werde. Und handle, wenn Handlung geschieht. Aus der Eindeutigkeit des Impulses heraus. Je weniger Gedanken um eine Handlung kreisen, um so eindeutiger kann sie ausgeführt werden und sich überhaupt erst hervorbringen. Hier kann ich sehen und sagen: Es geschieht von selbst. Freiheit ist die Freiheit alles wahrzunehmen, was geschieht. Und darin anwesend zu sein. Als Nähe, als sehende und fühlende Intimität, die allem Konkreten innewohnt und damit als Ganzheit in den Raum tritt:

Ich bin Das.

 

 

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5 Kommentare

  1. David

    Wie einfühlend die Stimme und wie präzise skizziert , Danke Nicole

    Antworten
    • Nicole Paskow

      Danke Dir, David!

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  2. Christine Geiler

    In diesem Zustand zu stehen, wie du ihn beschreibst ist mir bekannt und ich fühle wie ich ihn erlebe. Ich will ihn festhalten und dennoch entgleitet er mir nach der Zeit. Sehr schnell fühle ich mich darin wieder verloren, da er so anders ist wie die Gewohnheiten des Alltags.

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    • Nicole Paskow

      Liebe Christine, es geht, im Grunde, nicht um einen Zustand, sondern um ein Fließen mit den Dingen.
      Selbst, wenn Verdichtungen auftreten, wenn Du nicht daran festhältst, kommt der Fluss nicht ins Stocken.
      Und selbst wenn Du festhältst, kann es Dir bewusst werden, sobald Du fühlst, was das mit Dir macht und
      somit kann es sich wieder lösen. Sehen und fühlen und Dein Interesse, was ja da ist, reichen, um den
      Prozess zu führen. Vertraue ihm. Und damit Dir. Herzlich, Nicole

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  3. Tina

    „Es geschieht von selbst“… wenn Intimität mit sich selbst spürbar wird, kein Unterschied zwischen Handeln und Sein zu empfinden ist… was für eine Erleichterung! Danke für Deine wunderbare Art, alles Mögliche auszudrücken 😉 Liebe Grüße, Tina.

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