
Die befreite Anwesenheit - anhören
Genau so, wie wir Bäume wahrnehmen oder Straßen, den Himmel oder andere Menschen, nehmen wir Gedanken und Gefühle wahr. Sie scheinen „innen“ stattzufinden und die Bäume, Straßen und Menschen „außen“. Was wir dabei so gut wie immer übersehen, ist die Wahrnehmung selbst. Sie ist so selbstverständlich, dass sie nicht wahrgenommen wird.
Das ist der Grund, warum uns Gedanken und Gefühle überschwemmen können, warum wir leiden und warum wir nicht zur Ruhe kommen können. Es ist die tiefe Gewohnheit, unsere Aufmerksamkeit mit dem zu verschmelzen, was in der Wahrnehmung auftaucht. Diese Verschmelzung ist, was Glauben oder noch stärker – Identifikation genannt wird.
Wir glauben uns die Angst, die Verzweiflung, die Ohnmacht, den Schmerz. Wir sind den Gedanken ausgeliefert, weil wir nicht wahrnehmen, dass es der Wahrnehmung bedarf, um wahrzunehmen.
Das Wissen, das allem zugrunde liegt
Das Wort Wahrnehmung selbst ist ein wunderbarer Hinweis auf ihre eigene Natur: Wahr nehmen, also für gegeben nehmen, eines „Soseins“ gewahr werden. Es ist das Hindeuten auf ein Wissen, das allem, was gewusst werden kann, (allem, was auftaucht) zugrunde liegt. Sobald etwas in der Wahrnehmung auftaucht, ist gleichzeitig der Beweis seiner Wahrheit erbracht.
Es wird darum „gewusst“. Du schlägst die Augen auf und „die Welt“ ist da. Wahrnehmung und Erscheinung geschehen simultan. Wir richten unsere Aufmerksamkeit dabei stets auf das Wahrgenommene und orientieren uns daran.
Deshalb hängt unsere Identität, eben das, was wir als „Ich“ empfinden von den Gedanken und Gefühlen ab, die wir wahrnehmen. Dabei kommen Menschen nur selten auf die Idee zu hinterfragen, wo die Gedanken und Gefühle herkommen. Sie werden sofort aufgegriffen und weiterverfolgt. Deshalb landen wir in Gedankenspiralen und werden von Gefühlen überschwemmt.
Du bist es!
Es ist eine gute Idee mehr und mehr Bewusstsein über das Bewusstsein selbst zu bekommen. Darüber, dass Du, um Gedanken und Gefühle zu haben, in der Lage sein musst, sie wahrzunehmen. Darüber, dass da ein wahrnehmendes Element in Dir ist, das alles erst ermöglicht, was Dir erscheint.
Wahrnehmung selbst kann nicht erfahren werden. Aus einem einfachen Grund. Sie ist Dir so nah, dass sie sich nicht von sich abspalten kann. In anderen Worten, sie ist was Du bist. Wahrnehmung ist das, was uns allen gemein ist.
Ich will auf etwas ganz Einfaches und Grundlegendes hinweisen. Du kannst Dir bewusstwerden, dass das, was Du wahrnimmst, in Dir auftaucht.
Du bist das Bewusstsein, das sich über das, was in ihm erscheint, bewusst wird. Allein der Grund, dass Du Dir über Deine Gedanken bewusst werden kannst, dass Du um sie weißt, zeigt, dass sie nicht sind, was Du bist.
Die Aufmerksamkeit entspannen
Denn das, was Du bist, ist Wahrnehmung selbst, die nicht objekthaft sein kann, weil sie nichts anderes ist als Du selbst. Du kannst das, was Du bist also niemals erfahren als das, was Du bist. Du kannst Dich nur in anderer Form erleben. In der Form aller Erscheinungen, die in Dir als Wahrnehmung auftauchen. Wir können unsere Aufmerksamkeit nicht auf uns selbst richten, weil wir uns nicht von uns trennen können. Um uns zu „sehen“, müssten wir das
aber tun.
Hier kann deutlich werden, dass Du Dich selbst in Form Deiner Gedanken und Gefühle empfängst. Als Empfänger aber unsichtbar bleibst. Du kannst Deine Aufmerksamkeit von den Objekten, die Dir erscheinen abziehen, aber nicht umkehren, um auf Dich selbst zu zeigen. Doch Du kannst sie mehr und mehr entspannen.
Alles, was in Dir erscheint, kommt und geht. Gedanken, Gefühle, Bäume, Menschen, Straßen … Nur Du nicht. Du bist immer da. Still, unveränderlich, anwesend. Je deutlicher Dir das wird, umso mehr gerät diese Empfindung in den Vordergrund Deines Erlebens. Und Du nimmst Dich plötzlich als Konstante wahr. Als liebevolle Anwesenheit. Etwas, worauf Du Dich nun beziehen kannst, wenn Du Dich wieder auf „Dich“ besinnen willst, wenn die alten Gewohnheiten wieder auftauchen und drohen Dich zu überschwemmen. Angst, Zweifel, Schmerz.
Die Natur der Gedanken
Es geht nicht darum Gedanken und Gefühle zu verleugnen, es geht nicht darum, sie zu umgehen, um sie nicht fühlen zu müssen. Es geht allein darum ihre Natur zu durchschauen. Sobald das möglich wird, erkennst Du die Substanz ihrer Realität. Sie halten Deiner eigenen Realität nicht stand. Deine Realität als das, was unverändert, unverrückbar, sicher in sich selbst, in tiefem Frieden und stiller Freundlichkeit anwesend ist. Und sich selbst in anderer Form – als Gedanken, Gefühle, Bäume, Häuser und Menschen, empfängt.
Die befreite Anwesenheit ist nichts anderes als Bewusstsein, das sich des Bewusstseins seiner selbst gewahr ist. Es ist die Offenlegung Deiner selbst als zeitloses Hiersein, das Deine Angst, Deinen Schmerz, Deine Freude, Deine Sehnsucht, Deine scheinbare Widersprüchlichkeit, Deine Lust, Deine Trauer empfängt, wie eine Mutter ihr Kind. Und simultan dazu die Welt, wie sie Dir erscheint.
Die Verwirklichung dessen befreit Dich von Deinen Ängsten, lässt Dich im Frieden sein, der Du selbst bist und die Liebe erfahren, die natürlicherweise darin liegt. Die Liebe als Klarheit. Die Liebe als Offenheit. Die Liebe als Anwesenheit, die in jedem Augenblick Deines Erlebens bei Dir ist. Weil sie immer bei sich ist. In jeder Form, die sich zeigt.
Du bist nicht begrenzt …
Dabei ist jedes enge, dunkle, problematische Gefühl in Dir ein Hinweis darauf, dass Du Dich selbst gerade massiv übersiehst. So fühlt sich das an. Je größer der Sog der Gewohnheit ist, Dich immer wieder in diesen Gefühlen zu verlieren, umso weniger Bewusstsein für Dich ist in jenem Augenblick vorhanden. Das kann Dir bewusst werden. Weil Deine Natur nicht ist, was eng, dunkel und begrenzt ist. Es sind verengte Sichtweisen auf Dich selbst, die dazu passende Gefühle in Dir selbst hervorrufen, die Deine wahre Größe verschleiern. In letzter Konsequenz entspringen problematische Gefühle der Fehlsicht auf Dich selbst.
Du bist Wahrnehmung selbst, Du bestehst aus dem Wissen um alles, was Dir erscheint und bist daher immer größer als alles, was in Dir auftauchen kann.
Wenn Dir das deutlich wird, kann der Tanz des Lebens beginnen. Nun hast Du keine Angst mehr vor Gefühlen. So schmerzhaft sie auch sein mögen, Du empfängst sie, bist mit ihnen, statt sie zu verdrängen und abzuwehren. Du erkennst Dich als die Bereitschaft selbst, die Erfahrung Deines Lebens zu machen, wie auch immer sie aussieht, weil Du nun um Dich weißt.
In Verbundenheit, Nicole
Wenn Dich der Artikel inspiriert hat, freue ich mich sehr über den Ausdruck Deiner Wertschätzung mittels einer Spende. Vielen Dank!
0 Kommentare