
Der Wunsch nach Freiheit ... - anhören
Ein Vogel hat nicht den Wunsch zu fliegen. Er fliegt. Ein Huhn hat nicht den Wunsch Eier zu legen. Es legt Eier. Das Kaninchen sieht die Möhre. Es hat nicht den Wunsch sie zu fressen.
Es bewegt sich direkt auf sie zu und frisst.
Das ist Unmittelbarkeit. Direktheit. Umwegslosigkeit. Was stört die menschliche Direktheit? Was stört die Umsetzung zwischen dem Verlangen nach Freiheit und seiner Erfüllung? Es sind die verwirrenden Nebelschwaden der zweifelnden Gedanken. Es sind die Überlegungen, die Abwägungen, die Vorstellungen und die tiefe Gewohnheit in einer mentalen Übersteigerung zu leben, die sich durch die Bindung unserer Aufmerksamkeit Realität verschafft. Ein circulus viciosus – Ein Teufelskreis.
Wenn ich nicht so frei bin, aus der Diktatur angsteinflößender, zweifelnder und erniedrigender Gedanken auszubrechen, dann ist der Wunsch nach Freiheit noch nicht bis in alle Zellen meines Wesens vorgedrungen. So einfach ist das. Er hat noch zu wenig Gewicht, um sich der maschinellen Gewohnheit des problemhaften Denkens entgegen zu stellen.
Jeder Wunsch erfordert eine Handlung
Ich fühle mich noch zu sicher, zu vertraut darin, den altbekannten Gedanken zu folgen, auch wenn sie mich immer wieder in ein leidvolles Erleben führen. Dann beklage ich mich wieder und wieder über dieses Erleben und schlage die Decke der Verzweiflung ein ums andere mal über mich und verkrieche mich im Mauseloch meiner stets gleichen Unfähigkeit wirklich zu wollen, was ich will …
Jeder Wunsch erfordert eine Handlung. Sonst versickert er in den mentalen Windungen lebloser Vorstellungen, die kraftlos von einer fernen Erlösung träumen. Ideen, die sich an sich selbst berauschen, so lange sie nicht in die Wirklichkeit eintreten müssen. Denn alles, was inkarniert – was „ins Fleisch einfährt“, wird echt, wahrhaftig und ändert Deine Realität von Grund auf.
Das ist es, was Dir immer bewusster werden kann. Der Unterschied zwischen einem kraftlosen Wunsch und dem echten Verlangen, dem immer eine dementsprechende Handlung (oder Nichthandlung) folgt.
Was drückt sich durch Dich aus?
Verlangt es Dich wirklich nach der Freiheit Du selbst zu sein? Oder irrst Du herum und verstrickst Dich in Gedankengebäuden, die Dir ein Verständnis vorgaukeln, das sich dennoch nicht in Deinem täglichen Erleben umsetzt?
Drückt sich Deine Einsicht in Deinen Beziehungen aus, oder sind sie immer noch von Schuld und Forderungen durchdrungen? Von Ansprüchen an den anderen und vom Bedürfnis selbst uneingeschränkt gesehen zu werden, um Dich geliebt zu fühlen? Dieses Bedürfnis, das Dich immer wieder dazu bringt Dinge zu tun, die Du gar nicht willst? Wie laut ist es in Dir wirklich und wie sehr führst Du Dich selbst hinters Licht mit dem, woran Du angeblich glaubst und mit dem, was Du tatsächlich tust?
Welches Verständnis drückt sich unmittelbar durch Dich aus?
Das Leben ist direkt, unmissverständlich und klar. Es präsentiert Dir immer das, was Du bist. Du musst nur den Mut haben nüchtern und unverstellt hinzusehen. Dann verteidigst Du auch nicht mehr das, was Dich von Dir wegzieht: Die Automatismen, die zu schützen versuchen, was Dich hemmt frei zu sein. Hier erkennst Du klar und deutlich den machtvollen Sog der Gedankenströme, die versuchen die Aufmerksamkeit, die Du bist, an sich zu reißen, um sich durch sie Realität zu verschaffen.
Du bist Empfang
Du musst verstehen, dass Deine alltägliche Wirklichkeit, die Wirklichkeit Deiner Gedanken ausdrückt. DU bist der Empfänger, die Empfängerin Deiner Gedanken. Es geht um Dich als Empfang! In der wahren Erkenntnis dessen, wer Du bist, geht es (ab einem bestimmten Punkt) nicht mehr um das, was Du empfängst. Es geht darum endlich darauf aufmerksam zu werden, was es ist, das aufmerksam ist!
Das heißt nicht, dass Dir gleichgültig sein soll, was Dir widerfährt. Das ist das häufigste Missverständnis. Es geht nicht darum unempfindlich und unberührbar zu werden für das, was Du erfährst. Es geht allein um den Perspektivwechsel von Außen nach Innen. Die immer gleiche Bewertung Deiner Wahrnehmung wirkt sich auf Dich aus. Was bedeutet es zu sagen: Ich bin nicht meine Gedanken? Es bedeutet lediglich, dass Du es bist, der oder die Gedanken wahrnimmt. Du bist der Himmel, der Wolken und Vögel wahrnimmt. Du bist nicht die Wolken und nicht die Vögel. Du bist der Himmel.
Auf der absoluten Ebene bist Du natürlich auch die Vögel und die Wolken, weil es am Ende nicht mehr um Trennung oder Unterscheidung geht. Doch es geht hier zunächst um ein Verständnis dessen, warum Du immer wieder leidest. Du leidest, weil Dir nicht deutlich genug ist, dass Deine Gefühle von Gedanken generiert werden, die Du nur deshalb erlebst, weil Du ihnen zu viel Deiner Aufmerksamkeit schenkst. Irgendwann ist es Zeit sich von der ewigen Analyse der Gedanken und Gefühle zu verabschieden und ihnen direkt zu begegnen.
Lass die Gedanken fallen und sei hier
So lange Dir nicht bewusst ist, dass sie von Deiner Hingabe an sie leben, wirst Du sie bewerten und aus der Bewertung heraus sagen, dass es Dir nicht möglich ist, von ihnen zu lassen. Dann haben sie noch immer das Gewicht und die Bedeutung, Dich in ihren Bann zu schlagen, den Raum Deiner Wahrnehmung komplett für sich zu vereinnahmen und Dich glauben zu lassen, dass … „es nicht anders geht“, „ich so bin und nicht anders kann“, „die Welt doch so ist.“ usw …
Solange Dir nicht grundsätzlich bewusst geworden ist, was es bedeutet „der Himmel“ zu sein, der Vögel und Wolken wahrnimmt, solange das ein geistiges Mantra bleibt, das lediglich in spirituellen Diskussionen Dein Verständnis zum Besten geben soll, wirst Du auf der Stelle treten. Es zeigt sich irgendwann ganz deutlich, was von Deinem Verständnis mental bleibt und was den Weg in Deine innere Substanz geschafft hat.
Und dazu bedarf es Deiner vollkommenen Hingabe. Ohne sie wirst Du weiter an der Oberfläche kratzen und reden. Du wirst Dich nicht in die Tiefe wagen und Dich nicht ganz bewusst dem Wahnsinn Deiner Gedanken aussetzen. Dann würde Dir sofort klar, was der konditionierte Verstand wirklich mit Dir macht. Dir würde die Hölle bewusst, in der wir alle, wie selbstverständlich, leben. Die Funktionalität, die Lieblosigkeit, das Gefängnis und die Bürde des zweckgerichteten Mangeldenkens.
Es geht nicht billig …
Die wahre Liebe, der echte Frieden und die reine Klarheit sind nicht billig zu haben. Wir können sie nicht herbeireden, herbeidenken oder herbeiwünschen. Wir müssen wirklich bereit sein in eine Dimension zu fallen, die dem, was wir glauben zu sein, unbekannt ist. Und diese Dimension erreichen wir allein durch die Bereitschaft zur Stille und damit zur Wahrnehmung dessen, von wo die Aufmerksamkeit ausgeht.
Das ist der Ort, der DU bist. Der in jedem Menschen gleich ist. Dieser Ort ist intelligent, rein, freudvoll, still, empfindsam, friedlich, interessiert und ohne jeden Mangel. Er nimmt die Welt wahr wie ein Orchester, das gemeinsam die Musik dessen vollbringt, was Du als das Leben erfährst. Wie harmonisch es klingt, entscheidet allein die Qualität Deines Zuhörens.
Für diese Qualität musst Du bereit sein nicht mehr auf die schiefen Töne zu hören, die nur deshalb entstehen, weil Deine Aufmerksamkeit auf ihnen liegt, statt auf ihrem Empfänger und der Gesamtheit der Symphonie…
Jedem echten Wunsch folgt automatisch eine Handlung.
Wenn Du wahre Freiheit willst, bleib hier. Hör zu. Sieh hin. Fühle. Nimm wahr. Und handle ganz aus Dir selbst heraus, ohne die Störfrequenz der Gedanken zu bedienen, die Dich nur von Deiner Wirklichkeit und Wesentlichkeit ablenken wollen. Lass Deine gesamte Leidenschaft für das Verlangen Dich selbst nicht mehr zu verlassen in Dich einströmen – und sei frei!
In Verbundenheit, Nicole
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Tief, klar, bildhaft, gefühlvoll. Es berührt mich sehr, was Du schreibst. Und ich mag das „In Verbundenheit“ am Ende. Was alleine Menschen zu verbinden vermag, ist ja letztlich nur die Liebe, das Zulassen der Liebe auf beiden Seiten eines Miteinanders. Zusammen SEIN können, was jeder wahrhaftig ist. An einer Textstelle bin ich beim ersten Durchlesen hängengeblieben. „Jeder Wunsch erfordert eine Handlung.“ Und Nicht-Handeln erzeugt einen Stausee ungelebter Lebensimpulse? Mit dem dementsprechenden, anschwellenden Leidensdruck, die hemmenden Schleusen zu öffnen? Wenn ich nicht handele, muss die Energie irgendwo hin, sie ist ja da, dann wird sie eben gestaut, in potentielle Energie verandelt, die gehalten, kontrolliert, beherrscht werden muss? Was wiederum Energie erfordert und damit Energie verschwendet? Das fällt mir spontan zu dem Satz ein.
Bei deinen Texten geht es mir wie bei Tolle oder Krishnamurti. Manchmal reicht ein einziger Satz, der einen Impuls in mir auslöst, in Resonanz tritt mit etwas in mir. Manchmal kommt ein spontanes: ja, genau ! Und manchmal bleibt es bei einer Vor-Ahnung einer Erkenntnis, und erst Jahre später kommt es dann zu einem Aha-Erlebnis. Ich spüre in Deinen Texten eine radikale Sehnsucht nach Wahrheit, Wahrheit auf und aus dem Grund der Dinge. Eben radikal. Bis zur Wurzel der Dinge gehend. Ja, es geht nicht billig. Deshalb sind solche Texte wertvoll, wichtig, nötig. Danke für deinen Mut, diesen Weg zu gehen.
Lieber Andreas, danke für Deinen schönen Kommentar! Jeder Wunsch erfordert eine Handlung. Das heißt nichts anderes, als dass ein wirkliches Verlangen immer! zu seiner Erfüllung führt. Wenn einem Wunsch keine Handlung folgt, bleibt der Wunsch eine Idee, die keine Kraft hat. Wenn ich mir wirklich die Freiheit wünsche, mich selbst nicht mehr zu verlassen, dann erfordert es die Handlung, in dem Moment, wo mich etwas von mir wegzieht, da zu bleiben. Es kann also durchaus auch eine Nichthandlung sein. Je nachdem, wie man es sehen will. Also im richtigen Moment nichts zu tun. Nicht zu reagieren, nicht auszuagieren, sondern „hier“ zu bleiben, anstatt den automatischen Impulsen zu folgen, die aus der Gewohnheit kommen, von mir weg zu gehen. Es geht nicht um Unterdrückung, sondern um klares Sehen dessen,was wirklich in mir vorgeht und um die Unterscheidungskraft zu erkennen, worauf ich gerade reagieren „will“. Diese Unterscheidungskraft ist unerlässlich. Ein wirklicher Wunsch also, ist dann ein wirklicher Wunsch, wenn er wirklich etwas in mir in Bewegung setzt. Ansonsten bleibt er leer und „ausgedacht“. Ganz herzlich, Nicole