Das Leben macht keine Fehler - anhören

von Radical Now

Natürlich können wir Dinge, die vorgegeben sind, falsch machen. Wir können uns am Klavier verspielen, wenn wir versuchen ein Stück zu lernen. Wir können uns irren bei der Berechnung der Statik einer Brücke, was wirklich schwierige Konsequenzen nach sich ziehen würde. Wir können uns beim Kochen vertun, beim Autofahren, bei allem, was wir nach-machen wollen. Ein Muster, das wir nachvollziehen wollen, birgt ein Fehlerpotenzial in sich, ganz klar.

Doch das Leben selbst macht nichts nach. Es entsteht in jedem Augenblick neu. Es setzt sich in jedem Moment neu zusammen. Als rein improvisierter Lebensfluss, der in sich selbst den aus sich selbst enstehenden Bewegungen folgt. Bewegungen, die an ihrem Ursprung unbrechenbar sind, weil sie nur „sich selbst“ folgen. Die kleinsten materiell nachweisbaren Bausteine des Lebens bestehen aus Teilchen, die einander anziehen oder abstoßen. Das ist das ganze Prinzip.

Da ist niemand „drin“, der steuert, der einen Plan hat, wie „es“ geht. Es geht, weil es sich ungestört folgt. Ich glaube, der Mensch ist das einzige störungsanfällige Wesen, das derzeit existiert. Und die Störung besteht darin, dass er, anstatt seinem natürlichen Fluss, dem Glauben folgt, er selbst wäre fehlerhaft. Da ist eine kleine, aber übermächtige funktionale Installation in seinem System, die glaubt, dass es gut sei Berechnungen anzustellen, die das System vor dem biologischen Kollaps schützen könnten, eben davor Fehler zu machen.

Aufschub der Angst

Diese Berechnungen bewirken lediglich einen Aufschub in der Zeit (eine mentale Konstruktion). Sie verschaffen dem funktionalen menschlichen System (dem Verstand) schlussendlich einen gedanklichen Aufschub seiner Angst vor dem Tod – also vor seinem eigenen Ende. Dieser Aufschub nennt sich Versicherung, Planerfüllung, Festanstellung, oder Ehe. Er nennt sich Marketing und Kapitalismus, Politik, Lehrplan oder Qualitätssicherung.

Ich könnte endlos Einrichtungen aufzählen, die etwas Vorgegebenes beinhalten, das wir aufgrund seiner als vernünftig eingestuften Schlussfolgerungen glauben nachmachen zu müssen. Wie am Anfang unseres Lebens, wenn wir neben den grundlegenden Prägungen auch die Neurosen übernehmen müssen, die unsere Eltern an uns weitergeben.

Mit den Prägungen ist nichts verkehrt. Solange wir verstehen, dass das Berechnen, Nachvollziehen und Planen eine Funktion der spannenden Einrichtung Verstand ist und nicht das Lebenskonzept, nach dem wir Menschen grundlegend funktionieren. Wir müssen uns mit dem Prinzip Leben befassen, um zu verstehen, warum der Verstand und seine Hervorbringungen ein Rädchen im Getriebe sind und nicht das Getriebe selbst.

Die Fülle der Perspektiven

Ich saß neulich in einem Café in der Sonne und beobachtete bei einem Milchkaffee und einem Brioche die Menschen auf der Straße. Sie gingen ins Café rein oder daran vorbei. Es waren ganz verschiedene Menschen, die in diesem Augenblick an meinem Blickfeld vorübergingen.  Eine Familie mit drei kleinen Kindern, die alle süße Teilchen wollten, ein alter Mann, der nur ein paar Brötchen kaufte, zwei junge Frauen, die sich beim Kaffee unterhielten usw.

Wer bestimmt darüber, wer an meinem Blickfeld wann vorüber geht? Niemand. Ist es vorhersehbar, wer darin erscheint? Nein. Im gleichen Moment fiel mein Blick auf einen Käfer, der auf dem Weg vor mir seine Bahnen lief. Ein Auto fuhr vorbei, mit sechs Leuten auf den engen Sitzen. Eine völlig überbelegte Zigeunerfamilie saß darin. Und auf dem Dach des Hauses gegenüber saßen zwei Tauben, die sich alles von oben anschauten.

Wir können das abtun als alltäglich und damit nichts besonderes. Oder wir können daran sehen (und das war nur ein kleiner Ausschnitt), aus wie vielen Ebenen sich ein Augenblick zusammensetzt. Aus wie vielen Perspektiven. Jeder Mensch verkörpert in sich selbst ein unendliches Universum. Jeder trägt seine einzigartige Geschichte in sich und ist mit anderen einzigartigen Geschichtenträgern verbunden.

Es gibt keinen Kontrolleur

Was ist das für ein unüberschaubares Netz an individuellen Verbindungen und Wegen, die sich in einem einzigen Augenblick – auf der Straße, vor dem Café – begegnen oder aneinander vorbei gehen? Und hinzu kommen Käfer, Tauben, Hunde oder auch Kleinstlebewesen, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sind. Jeder auf seiner eigenen, einzigartigen Mission, in diesem Moment, der in mir, als Beobachterin, zusammenfällt.

Allein hier zeigt sich, dass das Leben keine Fehler machen kann, weil darin keine Kontrollstation namens Verstand eingebaut ist. Es gibt keinen Kontrolleur, der alles und alle koordiniert. Und damit auch keinen Plan. Die Oma geht ihre Brötchen holen, weil ihre Enkel gestern alle aufgegessen haben. Der Student holt sich einen Kuchen, weil er er immer Angst hat, wenn er vor einer Prüfung steht und Süßes ihn beruhigt … Beide treffen jetzt im Café aufeinander … Sie haben außer dem Zeitpunkt scheinbar nichts miteinander zu tun, folgen aber der Resonanz ihrer inneren Lebensbewegungen.

Die Koordination alles Lebendigen selbst beruht einzig auf Resonanz und ihren daraus entstehenden Folgen. Und das ist wunderschön und unglaublich einfach. Was heißt das konkret für Dich?

Der Verstand als Störfunktion

Benutze Deinen Verstand für funktionale Dinge. Techniken erlernen, Urlaube planen, Arbeitsschritte entwickeln oder befolgen, Rezepte nachkochen, ein Haus entfwerfen … Ansonsten aber folge Deiner Intuition. Folge dem, was Dir leicht fällt und stell Dich Dir selbst nicht entgegen. Der Verstand und seine angelernten Konzepte über Dich und das Leben selbst ist die Störfunktion, die den natürlichen Ablauf Deiner Bewegungen blockiert. Nicht – wie sollst Du Dich richtig verhalten? Nicht – was sollte als nächstes geschehen? Nicht – was wäre eine vernünftige Entscheidung?

Sondern: Was gefällt Dir? Was weht Dich direkt an und verursacht Dir ein schönes, erhebendes Gefühl? Was stößt Dich ab und lässt Dich das Weite suchen? Folgst Du dem? Oder steht der Verstand dazwischen mit seinen Berechnungen und Beurteilungen ob das auch so sein darf?

Der Verstand ist eine überlebensgroße Anmaßung. Angesichts der Fülle an ganz harmonisch ablaufenden Unberechenbarkeiten, die das Leben aus sich selbst hervorbringt.
Geh auf die Straße und sieh Dir diese unüberschaubare Fülle an Lebensperspektiven an, die in Dir als dieser Moment zusammenfinden. Alles in Dir läuft harmonisch, wenn Du Dich lässt. Wenn Du immer nur Dir selbst folgst. Fühlend, sehend, hörend und dem Duft der Leichtigkeit in Dir folgend. Dann machst Du nichts, was Dir nicht entspricht, und bist gut in dem, was Du tust, weil es Dir leicht fällt es zu tun, da Du es gern machst. Das ist ein natürlicher Kreislauf.

Wie der Vogel seinem Flug, folgst Du Deiner natürlichen Freude (unvorstellbar für den Verstand, der sich in seiner konstruierten, funktionalen Welt eingerichtet hat. „Wie soll das gehen?“ fragt er ahnungslos). Wo die Freude fehlt, ist der Weg zu Ende. Wo sie fließt, rauscht der Fluss mühelos entlang. Weil Du die Fülle des Lebens bist, das immer nur sich selbst hervorbringt. In jedem Augenblick.

In Verbundenheit, Nicole

 

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5 Kommentare

  1. Paul

    Liebe Nicole

    Wunder wundervolle Zeilen die du schreibst. Während ich sie las überkam mich große Lust mit dir den Beobachter
    zu machen und zu sehen welche Worte uns dazu einfallen würden.

    Danke für diese herzhaften Worte
    Paul

    Antworten
    • Nicole Paskow

      Lieber Paul, danke für Deinen Kommentar! Wer weiß, was sich noch ergibt … 😉 LG Nicole

      Antworten
  2. Bernd Bienentreu

    Der Verstand ist eine überlebensgroße Anmaßung…
    Wie trefflich formuliert,
    Danke.

    Antworten
  3. Beate

    Liebe Nicole,
    Ich klebe mit meinen Augen und meinen Ohren auch immer wieder an Deinen Zeilen.
    Es fühlt sich für einfach stimmig an.

    Danke
    Beate

    P.S. Auch ich würde gern mit Dir in Kontakt treten.

    Antworten
    • Nicole Paskow

      Ich freu mich über Deinen Kommentar, Beate, danke dafür! Und ich bin über Mail erreichbar 😉

      Antworten

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