Nichts und Niemand kann Dich glücklich machen- Bild

Die Welt, die wir erleben, spiegelt eine große Anspannung wieder. Diese Anspannung ist ein Ergebnis und gleichzeitig ihre eigene Ursache. Sie ist das Ergebnis einer Fehlwahrnehmung, einer eingeschränkten Sicht. Sie ist die Folge eines Glaubens, der solch eine Macht über uns hat, dass er als Selbstverständlichkeit in uns verschwindet. Er wird als Glaube nicht wahrgenommen, was ihn zur Ursache werden lässt.

Er wird von uns gelebt und damit ausgedrückt. Wir drücken diesen Glauben in unseren konfliktreichen Beziehungen aus, in unserer unerfüllten Arbeit, in der lieblosen Art und Weise mit uns selbst umzugehen und in der ab- und eingrenzenden Art mit allem zu interagieren, was uns widerfährt.

Wir sind wie Blumen, die sich selbst als Einzelheit sehen. Blumen, die glauben, sie müssten den Regen und die Sonne machen, damit sie blühen können. Rosen, die sich anstrengen schön zu sein. Apfelbäume, die sich anstrengen so kompetent zu sein, dass sie endlich reiche Früchte tragen, damit sich alle Vögel in ihre Zweige setzen. Wir sehen nicht, dass alles einfach aus sich heraus geschieht. Im Gelassen-sein.

Ich als Jemand muss mich verhalten wie Jemand

Wir sehen uns selbst als Jemand, der als dieser Jemand irgendwie sein muss und dann sehen wir „die Anderen“, denen wir als dieser Jemand gefallen müssen, damit es uns gut geht oder gegen die wir uns durchsetzen müssen, damit wir uns auch deutlich als ein Jemand spüren. Wir müssen so viel tun, um zu erreichen was wir wollen: Entspannung, Glück, Sicherheit, Freude, Frieden.

Und was bekommen wir? Kurzzeitige Entspannung, vorbeifliegende Freuden, einen Hauch von Glück, eine zeitlang Sicherheit, ein paar Momente Frieden. Aber dafür lohnt sich der ganze Aufwand, nicht wahr? Dafür lohnt sich der ganze Stress, das ganze Leid, die ganze Anstrengung, das Warten, der Kampf, das Machen, das Aushalten, das Ackern, das „Daraufhinarbeiten“ …

Für ein paar Augenblicke jenes Glücks, das uns anhebt zur lichten Schönheit des Lebens. Die wir dann für immer festhalten wollen, damit sie bleibt und uns nicht mehr verlässt. Um dann doch immer wieder feststellen zu müssen wie flüchtig sie ist, wie unbeständig, wie willkürlich, wie sie uns immer wieder die Zunge zeigt …

Das nächste Mal dann …

Aber das nächste Mal dann. Wir müssen uns nur noch mehr anstrengen …

Oder?

Oder könnte es sein, dass wir wirklich etwas missverstehen? Dass wir wirklich etwas übersehen?

Es ist ein wenig so, als müsste die Glühlampe, deren einziges Bestreben es ist ihr Licht zu entfachen, einsehen, das sie platzen muss, damit das Licht angeht. Und im Licht erkennt sie dann, dass es schon immer da war und dass es nie nötig war selbst für Licht zu sorgen. Sie erkennt, dass sie als Glühlampe ein Ausdruck des Lichts ist, und nicht sein Ursprung.

Im Normalfall geht das natürlich nicht. Welche Glühlampe platzt schon freiwillig? Einzig die, die gemerkt hat, dass es unmöglich ist für alle Zeiten selbst für Licht zu sorgen. Einzig jenes Licht, das von sich lässt, das sich entspannt, das sich öffnet für die Möglichkeit der Erfahrung, weit mehr zu sein als eine Glühlampe, die selbst für Licht sorgt – die bereit ist für die Erfahrung Licht zu sein.

Die Anspannung wird erst in der Entspannung sichtbar

Die Krux ist, dass wir immer nur sein können, was uns gerade möglich ist zu sein. Wir können keine Anspannung erkennen, wenn wir keinen Vergleich haben. Die Anspannung wird immer erst aus der Entspannung sichtbar. Davor ist es einfach so, wie es ist. Den angespannten Kiefer bemerken wir erst, wenn wir die Wohltat des Lockerlassens spüren. Zuvor können wir immer nur die Folgen der Anspannung erleben: Schmerz, Wut, Verbissenheit, Abgrenzung, Kampf …

Und darin merken wir nicht, dass der Kampf selbst es ist, der durch uns an sich festhält und natürlicherweise immer nur Kampf hervorbringen kann. In der Anspannung kann keine Entspannung liegen. Aber aus der Entspannung heraus kann Anstrengung wahrgenommen werden. Hier fällt mir der zusammengepresste Kiefer auf und ich lasse automatisch locker. Hier fällt mir auf einmal auf, wie sehr ich leide, weil ich etwas nicht so bekomme, wie ich es will und lasse locker.

Hier fällt mir auf, wie sehr ich an einer Meinung, einem Menschen, einer Idee, an einem Glauben festhalte – und Lockerlassen geschieht allein durch dieses sehende Auffallen. Und im Lockerlassen fällt mir auch auf, wer hier angespannt war – nämlich ich, als Glühlampe. Und nun werde ich aufmerksam darauf, worin die Glühlampe auftaucht: Im Licht. Das ich bin …

Wann platzt die Glühlampe?

Manchmal geschieht es durch plötzliche Einsicht, doch meistens ist es so, dass die (An)Spannung so groß sein muss, dass die Glühlampe von selbst platzt, weil ihre Kapazität überschritten ist. So habe ich es auch erlebt: Die Verzweiflung war so extrem, das Gedankenkarussell so schnell, so widersprüchlich, so aufgepeitscht, der Schmerz so alles überstrahlend, so raumgreifend und absolut, dass dieser enge Knoten in mir platzte und sich als lautlose Explosion in eine tiefe Stille verströmte.

In eine Stille, in der Verzweiflung einfach sein kann, wie sie ist. In ein Stillsein, das ihr nichts entgegenhält und sie sich von der Anspannung der Verzweiflung in eine tiefe, namenlose Berührung wandelt. Wenn es so eng wird, dass absolut kein Ausweg mehr bleibt, keine Hoffnung, keine Lösung, keine Rettung, kommt der Frieden. Von selbst. Am Ende aller hoffnungslosen Wünsche.

Es zeigt sich jener Frieden, der weder kommt noch geht. Jene Stille, die immer schon da war, die immer da sein wird, die in allem liegt. Es ist die Stille, in der alles sein darf wie es ist. Weil sie sich in nichts einmischt, was aus ihr hervorgeht. Die Stille, die um sich selbst weiß, reine Anwesenheit, reines Dasein in allem, was sich zeigt. Und dieses Dasein ist kein fremdes Dasein, es ist nicht ein großes Dasein, das sich auf mich herablässt.

Ich bin schon immer die Stille

Ich bin schon immer die Stille in der Gedanken und Gefühle auftauchen, doch die waren stets zu laut, um auf mich aufmerksam zu werden. Diese Gedanken und Gefühle waren so verzweifelt auf der Suche nach mir. Sie konnten mich nicht sehen, weil sie mich dauernd in jemand anderem suchten, obwohl ich schon längst da war.

Weil wir uns selbst nur als die Anspannung der Gedanken und Gefühle erleben und deshalb ganz natürlich glauben, wir müssten etwas tun, um etwas zu bekommen, das uns entspannt, sicher, freudvoll, wertvoll und glücklich sein lässt, sind wir angespannt.

Wir sehen und fühlen nicht, dass wir sehen und fühlen. Wir sehen und fühlen nur das, was wir sehen und fühlen wollen und das, was wir nicht sehen und fühlen wollen, wehren wir ab. Wir übersehen, was wir wirklich fühlen und damit übersehen wir uns als die ewige Stille, die wir sind, in der die Wirklichkeit unserer Empfindungen auftaucht und wieder abtaucht.

Im Schweigen zu allem, was in uns geschieht, oder in der tiefen, wehrlosen Verschmelzung damit (worin kein Unterschied liegt), erwacht die Stille zu sich selbst. Am Ende der Sehnsucht und damit am Ende aller hoffnungslosen Wünsche, wartet der Frieden als lebendiges, Freude und Schmerz umfassendes, alles durchdringendes Leben.

Ein Traum von Elias - Nicole Paskow

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2 Kommentare

  1. S.

    Ich danke Dir nochmal für Deine so einfühlsame, verstehende und so klare Begleitung, liebe Nicole. Deine Klarheit ist unfassbar und Du bist eine so natürliche, lassende, einfühlsame Frau. Ich glaube, nur jemand, der keine Angst vor seinen Gefühlen hat, kann wahrhaft lieben. Bei Dir habe ich diese Liebe gespürt. Gerade als Mann ist das Thema Gefühl mit viel Scham und Angst besetzt, besonders, wenn man, so wie ich, aus dem geistigen Raum kommt, der so lange als Schutzraum gedient hat. Bei Dir konnte und kann ich mich öffnen. Es fließt und fließt. Ich wusste gar nicht, zu wie viel Fühlen ich fähig bin … Am Ende aller hoffnungslosen Wünsche, bin ich Dir begegnet.

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    • Nicole Paskow

      Lieber Sam, wow, was für kraftvolle Worte! Ich freue mich darüber! Ja, lass uns fließen! In diesem Fluss findet alles seinen Weg von allein… Herzlich, Nicole

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