Die Radikalität des Augenblicks -anhören
Die permanente geistige und auch körperliche Anspannung, als die wir leben, ist ein Ausdruck der erstarrten Struktur des Geistes, durch die wir in die Welt blicken. Wir sind als eine Struktur, die das, was sie wahrnimmt, sofort in die ihr entsprechenden Kategorien einteilt, um des Wahrgenommenen habhaft zu werden.
Um es zu kontrollieren, um sich darin zurechtzufinden und psychologische Sicherheit zu erfahren. Die Struktur selbst gibt damit die Wirklichkeit vor, die sich als individuelles Leben erfährt. Sie besteht auf sich selbst als Wahrheit und hält uns im vermeintlichen Schicksalsrad aus Freude und Leid, Anspannung und Entspannung, Sehnsucht und Erfüllung gefangen.
Bis zum Schluss versuchen wir unser Leben zu verbessern und hoffen, dass wir den Schlüssel finden, mit dem wir die Tür zu einem idealisierten Selbst öffnen, das uns in die permanente Glückseligkeit entführt. Wir träumen vom göttlichen Kuss, der uns verwandelt und in die ewige Leichtigkeit und Freude des angstfreien Daseins entführt. Eines Daseins, das den Beschreibungen gleicht, die wir schon so oft begeistert gelesen und gehört haben.
Dem ewigen Wandel verfallen
Darauf warten wir, an uns arbeitend, uns verbessernd, mal achtsam, dann wieder hadernd, dann wieder hoffnungsvoll angehoben, inspiriert und freudig und dann wieder niedergeschlagen und verzweifelt … Es ist ein Suchspiel ohne Ausgang, eine Schatzsuche ohne Schatz, ein Irrweg ohne Richtung.
Wir warten auf das, was bleibt, auf das, was uns nie verlässt und (in Wirklichkeit) stets unserem Willen entspricht.
Wann ist es genug? Wann sind wir dieses Spieles überdrüssig? Wann fahren wir die Hoffnung an die Wand? Wann lassen wir alle Vorstellungen gehen, wann verstehen wir, was es heißt alles abzulegen, was wir denken und fühlen? Ich meine – alles! Wann ent-spannen wir uns als stets angstvoll angespannter Muskel – wenn nicht jetzt?
Ohne mich als geistige Struktur …
Wann sind wir so offen, so empfindsam, so nackt, dass nichts mehr hier ist außer dem, was hier ist? Als klare, deutliche Wahrnehmung, welche es auch immer ist? Unverschleiert, unbedeckt, unmanipuliert? Wann sind wir bereit zu fallen? Genau da hinein, wo wir gerade sind? Ohne einen Gegenentwurf? Ohne einen anderen in uns? Ohne eine Erlösung irgendwann? Wann sind wir bereit das, was jetzt und hier ist, als das zu erleben, was es ist und nicht was es sein soll?
Wann erkennen wir uns als geistige Struktur, die, wie durch einen verzerrten Filter, alles verzerrt sehen muss? Nämlich immer wieder nur sich selbst als Verhärtung, als Etwas, als Konflikt, als Ideologie, als Leid, als Endgültigkeit, als Bestätigung des Gespaltenseins in uns selbst ?
Es gibt nichts anderes als diesen Moment. Dich hier hinein fallen zu lassen, ohne ihn schon zu wissen, sehend, fühlend – still. Zulassend, dass sich alle verhärteten geistigen Strukturen aufweichen, dass alles, was etwas sein will, was etwas aus Etwas machen will, sich in die Wahrnehmung hinein erlöst … Kompromisslos Du selbst.
Niemand sein …
Fallen. In DAS hinein. In die Totalität des Augenblicks. Diese offene Weite, in die Du hier fällst, wie ein Tropfen ins Meer, ist die stumme Melodie Gottes, die alles durchwirkt, was durch Dich wahrgenommen wird. Dasein ist überall. Dasein schaut durch alles Hiersein, das durch Dich sichtbar wird. Es gibt keinen Ort an dem Du nicht bist. Als Dasein. Reines, unberührtes, empfindsames Dasein, das sich selbst als Wahrnehmung und Wahrgenommenes empfängt.
Urgrund. Quelle. Nüchterne Ekstase der Stille. Hier sind Du und ich unsagbar, unbenennbar, untrennbar. Hier komme ich als der stets wachsame, hinter – und innergründig immer bedrohte Jemand, zur Ruhe des Da-seins selbst. Und kann endlich sein – ohne Konflikt in mir, weil ich als Konflikt, also als Widerspruch zu dem, was ist, erloschen bin. Was für ein galaktisches Ausatmen!
Dieses Überlassen, dieses Einlassen, dieses Fallenlassen, dieses Hingeben aller angesammelter Erfahrung, aller Gegen-bewegung, dieser Empfang, in dem sich alles zeigt wie es aus sich selbst heraus ist …
Ohne Begriff …
Wenn die Worte versagen, sind wir angekommen. In uns Selbst. Von hier aus ist alles reiner Empfang ohne Zutun, ohne Wissen, ohne Überbau. Von hier aus ist Unschuld. In jedem Schmerz. In jeder Freude, in jeder Leere, in jeder Verwirrung und in jeder Dunkelheit. Die reine Unschuld des Daseins, die einfach nur ist. Jede Abwehr ist eine Bewegung zu viel. Jede Zuwendung ist eine Bewegung zu viel.
Die Totalität geistiger Bewegungslosigkeit ist zugleich die Absolutheit höchster Lebendigkeit.
Ich bin, weil ich nicht bin. Dieses Paradox erlöst sich im reinen Herzen.
Radikal hingegeben an mich selbst als stille, namenlose Präsenz, in die das Leben seine Wurzeln schlägt.
Wenn Dich der Artikel inspiriert hat, freue ich mich sehr über den Ausdruck Deiner Wertschätzung mittels einer Spende. Vielen Dank!
Liebe Nicole, ich liebe Deine Texte. Sie sind anspruchsvoll und so gut geschaut! Voller Gefühl verbinden sie das Geistige und das Erdige. „Radikal hingegeben an mich selbst, als stille, namenlose Präsenz, in die das Leben ihre Wurzeln schlägt … “ Das ist so großartig formuliert. Du schaffst es von einem Ort aus zu schreiben, der die Gedanken nicht als Hindernis erscheinen lässt, sondern als Ereignisse, die einfach sind, aber keiner gesonderten Beachtung bedürfen. Das erleichtert mich ungemein. Es ist so anstrengend, an sich selbst als „Jemand“ festzuhalten. Die Sehnsucht ist es, sich hinzugeben, einfach zu sein, ohne diesen ewigen Widerstand gegen die Gefühle, wenn sie schwer und undurchsichtig sind. Deine Texte begleiten mich auf diesem Weg. Danke. Markus
Lieber Markus, „ohne diesen ewigen Widerstand gegen die Gefühle“ … ja, dieser Widerstand ist die Bremse, die so lange wirkt, bis sie „ausgeleiert“ ist vom vielen Bremsen. Bis sie keine Kraft mehr hat und ihre Funktion verliert: Die Zurückhaltung aus Angst vor dem, was dann geschieht. Und dann gibt es kein Halten mehr, dann halten wir nicht mehr an jemandem fest, der als Festgehaltener nichts in Erfahrung bringen kann. Nichts von irgendeinem Wert.
Weil er das festhält, was uns lebendig macht: Das pulsierende Herz der tiefen Empfindung, der Ehrfurcht, der Demut, der Dankbarkeit und der Hingabe an das, was ist. Danke für Deine herzlichen Worte, sie haben mich erreicht. Nicole
Im Innersten muss ich ja wissen, was Ganzheit ist, sonst würde ich ja diese Sehnsucht danach nicht haben. Nur der Blick der Ganzheitlichkeit wird sie erkennen. Das Getrennt sein davon, sieht nur die Aspekte davon, wie man sich davon sondern kann. Sehnsucht ist die Gewissheit.
Der Schmerz weißt nur auf diese Aussagen hin, die Vorstellungen zeigen sich Folgegemäß.
Liebe Nicole, mit diesem kleinen Energie Ausgleich möchte ich meinen Dank ausdrücken. Deine Worte berühren mich am tiefsten Punkt meine Seele. Das geschieht auch, wenn ich Hermann Hesse, Rinke, Rose Ausländer oder Worte von anderen großen Dichtern lese. Doch dein gesprochenes Wort, mit deiner so warmherzigen Stimme, setzt ihn mir noch etwas anderes frei, was sich sprachlich nicht ausdrücken lässt. Dafür bin ich dir so dankbar. Herzlichst deine Barbara
Liebe Barbara, ganz herzlichen Dank für Deine Spende und Deine schönen Worte. Da bin ich ja in guter Gesellschaft am tiefsten Punkt Deiner Seele ;-). Es ist sehr schön, wie berührbar Du bist und wie offen Dein Herz … Ganz herzliche Grüße zu Dir, Nicole
Ja, liebe Christine, im Innersten wissen wir, was Ganzheit ist, so ist es! 🙂 Solange es uns nicht offenbar ist, schauen wir als Teilaspekt aus den Augen und sehen nur Bruchstücke… Das Ganze bleibt davon unberührt. Nur der Schmerz und die Sehnsucht sind uns ein tiefer Hinweis darauf, wer wir sind. Danke für Deinen treffenden Kommentar. In Verbundenheit, Nicole
Ankommen im jetzt. Alles Wahrgenommene, alles Gefühlte, jeder Gedanke erscheint im jetzt, von Stille erfüllt, und verklingt wieder im Jetzt. Es bleibt stilles Staunen, stille Ekstase immer im Jetzt. Herzlichen Dank liebe Nicole für Deine wunderschönen und wunderbaren Worte.
Liebe Nicole,
Deine Worte sind so passend und treffend immer. Wenn Worte nicht wären, (die des eigenen Fragmentes, Verstandes, der Bewertung ) wären wir frei !
Wie wahr!
So fühlend wissend, das wir nur ewiges SEIN sind und WRUMMS dann .. genauso WORTE, in Gesellschaft wahrnehmend, durch mich selbst als Spiegel vor die Nase gehalten, die Unschuld des SEINS guckt wie ein kleines Kind.
Oft mit mir alleine habe ich den tollsten friedlichsten Zustand 😉
Und dann geh ich raus .. unters Volk und die Schlacht im Spiel des Lebens ist wie ein Strudel von WirrWarr Worten, wo wahrnehme, doch die WORTE im Aussen dringen zu mir.
Worte sind nicht gleich Worte wie von Dir und doch sind sie Worte, die wir zu Kenntnis nehmen – und mit uns was machen, wie Deine.
Wann wie
wertfreie Wahrnehmung …und wann Herz geöffnet für Worte wie Deine.
Sehr gelungen:
…,,dann wieder hoffnungsvoll angehoben, inspiriert und freudig und dann wieder niedergeschlagen.
Des MenschSein’s WORTE …
In Liebe Britta