Der Herzschlag der Liebe ist still

Im Grunde ist das, was ich mache, sowas wie Musik. Nur verwende ich Worte. Ich bin keine Lehrerin, ich bin keine Schülerin, keine Dichterin, ich bin keine Philosophin, keine Musikerin, ich bin keine irgendwas. Ich bin … lassen wir diesen Platz doch einfach leer. Das wär schön. Nur drei Punkte, die ins Irgendwo führen …

Was ist das eigentlich … Musik? Was sind Töne? Töne können so unterschiedlich sein, je nachdem welchem Geist sie entspringen. Was ist ein Bach? Ein Wagner? Ein Eric Satie? Was ist ein Bob Dylan, ein Paul Kalkbrenner? Was macht eine Joan Baez, eine Maria Callas, eine Beyoncé?

Alles Menschen, die ihre Wahrnehmung ausdrücken und in anderen Menschen sichtbar machen, durch den Eindruck, den sie hinterlassen. Wenn da ein Eindruck entsteht.

Wo ist der Ort?

Ich könnte eine ganze Abhandlung darüber verfassen, wo denn dieser Eindruck entsteht … Wo werden die Töne wahrgenommen? Die Worte? Was ist das für ein Ding, so ein Klang? Was ist das denn, ein Gefühl? Was ist ein Gedanke? Ja, wir sind es gewöhnt in die Inhalte zu schauen, der Musik zu folgen, wohin sie uns entführt. Welche Stimmung sie erzeugt … Oder der Bedeutung der Worte zu folgen … Wir sind es so wenig gewohnt das Ding an sich zu hinterfragen. Den Träger der Stimmung, das Medium, in dem Musik überhaupt hörbar wird.

Die Begriffe, die wir so selbstverständlich benutzen, sie lassen uns Orientierung finden in einem Gebilde, das nur aus Begriffen und deren Bedeutung besteht und allein durch die Bedeutung der Begriffe fühlt sich etwas real an und handhabbar und „so“. Und sicher.

Also sagen wir „Musik“ – dabei ist das, was diese Bezeichnung trägt so … unfassbar.

Ohne Einordnung

Ich kann jedenfalls nicht sagen, was das ist. Kennst Du die Empfindung, die auftaucht, wenn etwas keinen Begriff bekommt? Wenn auf die Frage – Was ist dieser Klang?, nur der Klang selbst erscheint? Wenn nur die Frage da ist. Und statt einer Antwort, die wir kennen, etwas auftaucht, das ohne Bezeichnung ist … ohne Begriff. Aber es ist da, es ist wahrnehmbar. Und in dieser Begrifflosigkeit kann es sich entfalten, als etwas vollkommen Neues.

Du glaubtest zu wissen, was Musik ist, was Bach ist, Reggae, Techno, Jazz … Doch wenn Du das vergisst und nur hörst, wirst Du einfach entführt. In Räume, die Du nie zuvor betreten hast. In begrifflose Räume, die nur Du jemals kennen wirst, weil das, was sie sind so unmöglich mitteilbar ist. Das ist nur für Dich. Hier wohnt die Intimität, die keinen Zweiten kennt.

Und gleichzeitig ist es der Ort, an dem sich alles trifft. Jeder Mensch, der diesen Ort betritt – den Ort ohne Worte, ohne Kategorie, ohne Wissen darüber, was er ist, ist am selben Ort.  Hier ist nichts von einander getrennt.  Nur der Begriff selbst trennt Ich und Du in zwei.

„ICH“ weiß bescheid …

Du glaubtest zu wissen, wer Du bist. Doch wenn Du alle Zusammenhänge aus Dir entfernst, sie weglässt und nur siehst, hörst und fühlst, gibt es keine Trennung zwischen den Dingen. Sie sind genau so, wie sie sind. In ihrer Eigenheit unbenennbar. Und in dieser Untrennbarkeit und Unbenennbarkeit wird eine unendliche Fülle sichtbar, ein Rausch an Empfindungsmöglich-keiten, die unmöglich eingrenzbar sind. Sie sind es nicht, weil kein Zentrum mehr die Szenerie bestimmt.

Nein, was bestimmt ist genau das, was gerade geschieht. So, wie es ist.

Wir haben so viel Angst vor einer Welt ohne Begriffe. Weil wir dann erkennen würden, dass wir nur Begriffe sind. Bezeichnungen, die auf der Ebene von Bezeichnungen sprechen, denken, fühlen, handeln. Und der Abgrund dahinter würde sichtbar. Aber eben nicht der Abgrund, vor dem wir uns fürchten. Es ist die Glückseligkeit der Unfassbarkeit, wenn alles seine begriffliche Bedeutung verliert. Sterben heißt all das hinter sich zu lassen. Diese ganze Welt der Namen, der Dinge, der Zusammenhänge. Sterben heißt sich einzulassen auf das, was ist. Denn das, was ist, zeigt sich in seiner Wahrheit erst dann, wenn es sein kann, was es ist. Und das ist niemals etwas, das sich benennen lässt.

Das ist die Offenbarung.

Die ganze Pracht eines Klavierstückes entfaltet sich in diesem Raum ohne Klavier, ohne Noten, ohne Stück. Es ist jener Raum, der den Klängen die gesamte Bühne überlässt und selbst nicht damit spielt. Das ist immer dann, wenn Du tiefe Schönheit empfindest. Wortloses Berührtsein. Unsagbares Ergriffensein. Wenn Du so angefasst bist, dass Du eben keine Begriffe dafür hast. Dann bist Du in genau diesem Raum, als dieser Raum. Dann gibt es niemanden mehr. Dann ist nur noch das, was als Berührung geschieht. Sterben bedeutet nur das Aufgehen in Allem, das Einlassen, das Erlösen. Das Hören ohne Hörer, das Sehen ohne Sehenden, das Fühlen ohne Fühlenden. Einfach nur hier.  Und selbst das „Hier“ darf von sich lassen …

 

 

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12 Kommentare

  1. Ramona

    Worte ohne Worte, Bilder ohne Bilder so nenne ich es manchmal, wenn ich es nicht anders erfassen kann.

    Laut Denken, einfach sprechen, was hinaus möchte. Einfach schreiben, oder geschrieben werden.

    Du lässt es an_ klingen, was hinaus möchte. Ausdruck als Grundbedürfnis, jeder auf seine Art, wie wunderbar. Und im Berührtsein verbinden wir uns wieder.

    Deine Texte geben so viel Raum. Vielen Dank für die Unerschöpflichkeit und das Suchen etwas begreifbar werden zu lassen.

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    • Nicole Paskow

      Es freut mich, dass Du diesen Raum wahrnimmst, Ramona! LG Nicole

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  2. Jörg

    Danke für diese Beschreibung für „Das“, was einfach ist … 😉

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    • Nicole Paskow

      Danke für Deine Rückmeldung, Jörg! 🙂

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  3. victor

    Liebe Nicole!

    Egal wie, was und wo Du °Etwas° wahrnimmst,
    ist das °Etwas° immer Deine individuelle Form
    und Energie Deines göttliche Seins.

    Du nimmst Dich immer in Allem wahr,
    das heißt Du gehst in Allem immer in Resonanz mit Deiner Energieform
    seit Anbeginn Deiner Existenz, außerlab der göttlichen Urenergie
    vor 13,8 Milliarden Jahren!

    Da Du gerade von Musik, Tönen schriebst, vielleicht zeigt Dir der Komponist Scelsci ein ähnliche Befindlichkeit, wie Du gerade.

    https://www.arte.tv/de/videos/072442-000-A/die-erste-bewegung-des-unbewegten/

    Unbewegtes als Bewegtes erkennen, annehmen….

    Herzlichst Victor.

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    • Nicole Paskow

      Das hab ich mir jetzt sehr gerne angesehen, Victor! Danke! Scelsci!Eine Entdeckung!Diese Musik zu hören, ist wie der Geburt von Sternen beizuwohnen…

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  4. Barbara Klein

    Liebe Nicole, sicher kennst du das, wenn der Verstand nicht mit dem Erlebten nachziehen kann, jedoch ein inneres Gefühl, die Weisheit besitzt, die Dinge erfasst zu haben. So geht es mir sehr oft, beim lesen deiner Texte. Deine Worte nehmen mich mit in eine andere Welt und ich bin dir sehr dankbar dafür..🙏
    In Liebe Barbara 💕

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    • Nicole Paskow

      Das freut mich, liebe Barbara! 🙂

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    • Christoph

      Liebe Nicole,
      auch du versuchst immer wieder und wieder das Unsagbare in Worte zu fassen. Das finde ich sehr amüsant, erfreulich und erquickend, weil es ja letztendlich unmöglich ist und zum Schluss immer in einem schallenden Gelächter des „Versuchers“ endet.
      Mein aufgeschriebenen Erkenntnisse diesbezüglich landen immer im Müll der Fragwürdigkeit, warum ich diese sinnentleerten Worte geschrieben habe.
      „Seinen“ passiert, und derjenige, dem es aufzufallen scheint, ist auch „nur“ Passieren im „Sein“, unmittelbar, direkt, ohne Raum und Zeit. Freudiges Lesen deiner Texte geschieht, einfach weil es „mich“ „passiert“ (an „mir“ vorüberzieht).

      Vor dem Lesen: Kaffeetrinken und Kuchen essen
      Nach dem Lesen: Kaffeetrinken und Kuchen essen
      😊
      Verrückt!

      Liebe Gruesse
      Christoph

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      • Nicole Paskow

        Lieber Christoph! So ist es! Der Versuch es in Worte zu fassen ist hier immer wieder präsent und so passiert es so lange, wie es passiert.
        Was will man da machen? Da geht jedes „Warum und Wozu?“ völlig ins Leere. Es ist immer wieder eine Freude ganz neu zu schauen, was DAS nur ist!
        Ganz gleich, ob man dabei am Ende nur immer wieder an den Rand der Wortwelt stößt … 🙂 LG Nicole

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  5. Maja

    Ich bin vollkommen von Schönheit ergriffen und falle in wachendes Träumen. Freude strahlt aus dem Wunder des So Seins.

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    • Nicole Paskow

      Ich weiß um Deine Künstlerseele, Maja, die von Natur aus offen für die „Schau“ des Lebens ist … so schön, wie immer wieder in Schwingung zu erleben! LG Nicole

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