Irgendwann gibt es einen Absprung. So, wie die Rakete ab einer bestimmten Höhe, ihre Triebwerke abstößt und in den offenen Raum driftet, so springt etwas vom letzten Sprungbrett ab, um nicht mehr zu landen.
Das ist der Moment, und es mag von diesen Momenten sehr viele vor-Momente geben, wenn glasklar geworden ist, dass jede Erkenntnis eine ungerechtfertigte Landung ist. Jedes „Jetzt hab ich’s!“, ist eine Falle. Jeder Glaube daran etwas verstanden zu haben und fortan in diesem Verständnis leben zu wollen, ist eine Falle. Eine Falle, die erbarmungslos zuschnappt, um uns wieder an den Anfang der Reise zu stellen. Nochmal auf Los … Und nochmal auf Los … Und wieder auf Los …
Bis auch der letzte Blinde einsieht, dass es SO nicht geht.
Warum ist das denn so? Warum ist jedes „Heureka!“ eine Illusion?
Dieses Finden passiert ja immer nur dem Suchenden. Dem Sucher nach Wahrheit, nach sich selbst, nach „Wer bin ich?“, „Was ist das?“, „Warum, wieso, weshalb?“ Diesem Sucher zeigt sich auch das Finden. Doch jedes Finden ist unweigerlich ein relatives Finden, weil jede Suche eine relative Suche ist. Das heißt, nach jedem Finden gibt es genauso unweigerlich eine neue Suche. Denn jede Antwort ist von Natur aus unbefriedigend. Der Fragende bleibt ein Fragender, egal, welche Antwort sich ihm anbietet. Start – Ziel – Start … bis in alle Ewigkeit. Und wir tun jedes Mal so, als wäre es ein neues Spiel …
Wirklich spannend wird es, wenn auf einmal der Fragende selbst in Frage steht. Das eröffnet eine völlig neue Dimension.
„Oh mein Gott!“,
war alles, was ich noch sagen konnte, als mir der, die, das Fragende in mir auffiel. Als „ich“ „mir“ auffiel. Und auf diesen Ausruf folgte einfach nichts mehr. Keine weiteren Fragen.
Vielleicht muss man den Weg so lange gehen, bis einem auffällt, dass er einen im Kreis herum führt. Immer und immer wieder. Auf Tag folgt Nacht. Auf die Frage folgt die Antwort, auf das Glück folgt das Leid. Unausweichlich. Auf jeden Rausch folgt die Ernüchterung. Zuverlässig.
Was durchbricht diesen Kreislauf? Es ist der Sprung vom Sprungbrett, der passiert, wenn klar wird, dass hier was nicht stimmen kann. Dass es so nicht geht. Immer wieder die verdammte Hoffnung, es doch noch zu schaffen und hier rauszukommen aus diesem Empfinden hin zu einem besseren Empfinden. Und immer wieder der Strohhalm und immer wieder das Ertrinken und dann wieder das Strampeln, die Hoffnung, der Strohhalm …
Da kann man absolut lebensmüde werden dabei.
Oder aber in die Sinnlosigkeit aufwachen.
Der Sinnlosigkeit selbst ist Freiheit eingewebt. Kein Fragender, keine Fragen. So verdammt einfach ist es. Gedanken kommen, Gedanken gehen. Gefühle kommen, Gefühle gehen. Empfindungen, Schmerzen, Zustände. Sie kommen und sie gehen. Das ganze Problem liegt im „Mein“, „Mir“, „Mich“ und Ich. Das ist der alles auf sich beziehende magnetische Köder, der den Fisch an der Angel hält. Ohne ihn, würde er einfach weiterschwimmen.
Ja, das kann man irgendwann sehen, wenn der Kopf nicht mehr ganz so tief unter Wasser steckt. Wenn die Zustände und Emotionen nicht mehr den gesamten Raum bekommen, sobald sie auftauchen – wenn man also nicht mehr ganz „dicht“ ist. Und damit empfänglicher für mehr und andere Wahrnehmungen, die nicht sofort in Kategorien landen, weil es für sie keine gibt.
Aus der Enge heraus hört sich „Sinnlosigkeit“ wie etwas äußerst Unangenehmes an. Doch aus der Weite heraus gesehen ist sie das Schönste und Freudvollste, was es gibt. Dieser Moment ist im Grunde sinnlos. Jetzt und hier. Er ist vollkommen frei zu sein, was und wie er ist. Dort, wo kein Sinn darüber gespannt wird, zeigt sich die vollkommene Schönheit, die immer in allem liegt, was sinnfrei und damit unkonstruiert in die Sichtbarkeit drängt. So direkt wie eine Ohrfeige. Ohne einen einzigen Gedanken.
In der Nacktheit von Hier und Jetzt,
zeigt sich alles auf seine sinnentleerte Weise – völlig frei, unabhängig und unbedingt. Es ist ein Segen, die bedingte Welt für einen Augenblick verlassen zu dürfen, um genau das zu sehen: Den Blick vom Weltraum auf die Erde. Und damit von einer größeren inneren Dimension auf eine kleinere innere Dimension zu schauen. Und gleichzeitig – hier und jetzt – die Dimensionen zu verlieren. Hier verändern sich die Verhältnisse. Und es werden Zusammenhänge sichtbar, die allein von der Erde aus nicht sichtbar werden können. Weil die Weitsicht fehlt.
Im Weltraum gibt es keine Gravitation. Die gibt es nur in Räumen. Keine Gravitation = Kein Zusammenhang im engeren Sinn. Ein Eindruck löst den nächsten ab. Mal zerschmelzen wir vor Liebe, mal taucht Ödnis und Verzweiflung auf, dann kommt die Sehnsucht, dann die Gedanken, dann die Hoffnung, dann die Wut, dann die Erlösung, dann die neue Gefangenschaft, dann wieder irgendetwas anderes. Meine Güte. Menschsein ist nichts für Feiglinge! Und wenn wir noch genauer hinsehen, gibt es darin noch nicht mal Zeit. Es gibt kein „hintereinander“. Es gibt nur ein „So“. Jetzt. Ohne jede Bedeutung über sich hinaus.
Ohne Grund und somit ohne Sinn.
Es ist die Offenheit für alles, alles, alles. Es ist die absolute Offenheit für sich selbst als alles. Ich bin absolute Leerheit, in der sich alles spiegelt, was sich zeigt. Jede Intensität, jeder Zweifel, jede Enge, jede große Freude, jede herrliche Lust, jedes lodernde Begehren, jedes tiefe Stillsein, jede abgründige Traurigkeit, jeder wilde Sturm, jede verzweifelte Not, jedes Glücksempfinden, jede Landschaft, jedes Tier, jeder Mensch, wie er ist … Ich bin das leere Gefäß für Das. Und noch direkter: Ich bin Das!
Mein Gott!
In dieser Grundlosigkeit ohne Sinn, in dieser Sinnlosigkeit ohne Grund, liegt die unaussprechliche Liebe, der allumfassende Trost, die sich von nichts und niemandem abwendende offene Hand der Vollkommenheit, die jetzt ist.
Wenn Dich der Artikel inspiriert hat, freue ich mich sehr über den Ausdruck Deiner Wertschätzung mittels einer Spende. Vielen Dank!
Liebe Nicole, ich sehe kein Problem darin, die Schönheit sowohl in sinnloser Betrachtungsweise z.B. von Pflanzen zu erkennen als auch in der Sinnhaftigkeit meines Erlebens. Schönheit ist überall, wenn man offen dafür ist, sie wahrzunehmmen. 🙂
Und zu Deinem Satz: „Der Fragende bleibt ein Fragender, egal, welche Antwort sich ihm anbietet.“
Auch das finde ich überhaupt nicht schrecklich eine Fragende zu sein. Es ist sehr bereichernd seinen Erfahrungen als Fragende zu begegnen statt als Antwortende, denn die Fragen schenken immer neue Perspektiven, die das Erlebte in immer neuen Farben leuchten lassen so wie ein Diamant umso mehr strahlt umso mehr Facetten in ihn hineingeschliffen werden.
Liebe Grüße!
Sabine
Liebe Sabine, Du schreibst: „Schönheit ist überall, wenn man offen dafür ist, sie wahrzunehmmen.“ Das ist schön! Wenn das „offen“ und „überall“ auch für schwierige Momente, mit unvorhersehbaren, schweren Gefühlen und Gedanken und Erlebnissen gilt, denen man sich dann nicht mehr verschließen muss, ist das sogar wunderbar! 🙂 Es ist eben genau der Fragende, der einen Sinn im Geschehen finden muss, damit er sich in Sicherheit wiegen kann. Im freien Fall hingegen braucht es keinen Fragenden auch wenn es ihn geben kann … Danke für Deine Gedanken! LG Nicole
Noch eine einzige Frage: Wie lerne ich schwimmen und wie lerne ich den Kopf über Wasser zu halten? Macht es Sinn sich anzustrengen in jedem Augenblick wach zu sein, aus dem Nebel der Gedanken aufzutauchen, präsent zu sein. Ist das wirklich ausreichend nur wahrzunehmen: ich bin schwach, ich schaffe es nicht. Kann ich überhaupt etwas erreichen? Ist die maßlose Anstrengung wach zu bleiben wirklich sinnlos?
Lieber Johannes, die maßlose Anstrengung wach zu bleiben ist vollkommen sinnlos. Du bist ja schon Das, was Du erreichen willst. Du kannst es nicht nicht sein.
Das, was sich anstrengt ist das, was verhindert genau das mitzubekommen. LG Nicole
Ist es nicht eine lebenslange Gewohnheit, die im Laufe meines Lebens zur Sucht geworden ist, immer wieder in Bewusstlosigkeit zu versinken, bequem mich von Gedanken wegtreiben zu lassen vom Wahrnehmen was jetzt ist. Immer wieder Reaktionsmustern ausgeliefert sein. Wie kann ich mich von dieser Sucht befreien? Durch Hingabe? Durch das anerkennen meiner menschlichen Schwäche?
Durch die bewusste Hingabe an das, was Du Bewusstlosigkeit nennst,Johannes.
Herzlichen Dank liebe Nicole für die Begleitung und Deine Rückmeldungen, die in meinem Bewusstsein wie Spiegelungen meiner eigenen Antworten erscheinen.
Ja , dieser Momemt ist vollkommen frei zu sein ,was u.wie er ist.
Alles kommt u.geht , ohne meinen Senf ! Mein dazugegebener Senf ,wenn ich Mathilde beobachte u. ihr zuhöre, entlarvt das“Ich“als Illusion.
Danke Nicole für deine Klarheit
Liebe Mathilde, ja und deshalb kann diese „Ich-Illusion“ mit ihrem Senf auch einfach da sein, wie sie eben auch passiert. Da stößt sich einfach niemand mehr daran. 🙂
ja!…..und dass die ‚Ich-Illusion‘ mit ihrem Senf auch einfach da sein kann, wie sie eben auch trotzdem passiert und es stößt sich einfach niemand mehr dran…..ist einfach das Tüpfelchen auf dem i, wahrhaft die Kirsche auf der Torte…die absolute Krönung!!
bedeutet es doch, dass es nicht darum geht, erhaben zu sein über die ‚Menschlichkeiten‘, sondern inmitten der Menschlichkeiten, im gewöhnlichen Alltag frei zu sein..juhuu!!
auch ich, liebe Nicole, danke dir für deine Klarheit
Wie schön Dein Jubel ist, liebe Maja! 🙂
Liebe Nicole, meine Seele lauscht hinter den Klang der Worte.Sie sind wie eine wunderbare Medizin, die es schafft, die Blut Hirnschranke zu überwinden. Sie bringen etwas zum leuchten, was ich nicht in Worte kleiden kann und sie spornen mich zu etwas an, von dem ich auch nicht sagen kann, was es ist. Was ich sagen kann, ist was ich spüre, Freude, Dankbarkeit und Liebe. 💓
Danke, liebe Barbara für Deine Zeilen! 🙂 LG Nicole
…ist es wirklich so, dass alles, was wir wahrnehmen, einfach ist, ohne Sinn?
Doch wodurch ist das Wahrgenommene?
Vielleicht ergibt die Antwort darauf den Sinn?
Lieber Frank. Kräfte wirken. Und keiner weiß warum oder weshalb. Wo willst Du einen Urgrund ausmachen? Wo beginnt das Leben? Wo oder wann beginnt Wahrnehmung?
Wann ist sie denn nicht? Wir können immer nur Muster erkennen. So, wie zum Beispiel die von Eiskristallen. Dann können wir sagen: Oh! Das sind Eiskristalle! Das sind Blätter, das ist Frank! Aber all das sind nur Ausschnitte aus unendlichen Möglichkeiten von Mustern. Sie werden dort wahrgenommen, wo sie wahrgenommen werden. Dort, wo Du wahrnimmst, nimmt sich das wahr, was sich im Frank Universum wahrnimmt. Und Du wirst niemals sagen können warum das so ist. Es gibt keinen Anfang und es gibt kein Ende des Seins.
Wer es kann, entspanne sich in das hinein, was wahrgenommen wird und sei damit als das, was ist. Das ist die höchste Möglichkeit des Lebens. Herzlich, Nicole
danke für die Antwort, doch das Leben, liebe Nicole, als höchste Möglichkeit…?
„…kann etwas Leben haben, was stirbt?“
Lieber Frank, „…kann etwas Leben haben, was stirbt?“ In allem ist Bewusstsein. Auch in sterbendem Gewebe. Es wandelt sich zu einer anderen Form im und als Bewusstsein.
merci, liebe Nicole, für deine umgehende Antwort.
Könnte es sein, dass Gott, also die Ur-Quelle, der Urgrund oder wie immer man dem sagen will, etwas „erschaffen“ hat, was nicht „die“ EINHEIT IST?
Doch Einheit ist unwandelbar, ist Erkenntnis, nicht Wahrnehmung, ist LEBEN, nicht sterbend usw, ist ausschließlich in IHM.
Erschuf Gott diese Welt, die wir wahrnehmen, mit all ihrem Widersprüchen, mit Glück, mit Leid, mit all dem…?
Lieber Frank, Du beschreibst letztendlich das Paradoxon von Sein und Werden, an dem sich jeder vergleichende Verstand die
Zähne ausbeißt. Beides ist in Wahrheit nicht voneinander getrennt. Das Eine im Vielen ist der Nicht-Widerspruch, der dann
offenbar wird, wenn Das komplette polare „Entweder-Oder“ Denksystem fallengelassen wird. Gott hat nichts erschaffen, was nicht
„Die Einheit“ ist, wie Du sagst. Es gibt keine Trennung. Dieses Erkennen (Diese Bewusstwerdung) geschieht in der Zeit, die aus
der Zeitlosigkeit entspringt …