Kapitel
Wo kommen die Geschichten her?(Neues Vorwort)
Jeder Mensch hat eine Geschichte. Eine Lebensgeschichte.
Die immer ein Zusammenspiel von Ereignissen, Umständen, Bedeutungen ist. Jeder Mensch hat eine Ahnenlinie und eine bestimmte Art die Welt zu sehen, deren Ursprung er nicht nachvollziehen kann.
Ich habe mich von Klein auf isoliert gefühlt, abgeschnitten von der Welt und der Liebe. Vielleicht habe ich deshalb immer das Verbindende gesucht. Das, was uns alle vereint, das, was uns zugrunde liegt. Den Ursprung vielleicht, die Quelle, den einen Atem, dem wir alle entstammen.
Warum sind Menschen in sich selbst so widersprüchlich und warum versuchen sie alles unter einen Hut zu bringen? Warum bekriegen sie sich, wo sie doch vorgeben sich zu lieben? Wo kommen wir her? Was ist das Leben? Was ist der Tod und gibt es die wahre Liebe wirklich? Wo gehen wir hin und welche Bedeutung hat das alles? All diese Fragen beschäftigten mich von Klein auf.
Mein Vater war ein bulgarischer Schriftsteller, meine Mutter eine deutsche Lehrerin, die eine Großmutter arbeitete in einer Schokoladenfabrik, die andere hatte Literatur studiert und die Großväter waren beide Musiker und Tischler.
Keiner hatte Gott im Repertoire seiner Weltanschauung, bis auf eine Tante, die Karten legte und aus dem Kaffeesatz las. Ich wuchs wild auf und im Grunde war ich mir selbst überlassen.
Das hatte den Vorteil, dass es schon immer meine Selbsterfahrung war, die mein Bild vom Leben bestimmte und weniger die Ideen anderer Menschen.
Es war laut in unserem halbbulgarischen Haushalt, immer voller Theaterleute, da mein Vater auch Schauspieler war. Später waren es Schriftsteller, Tänzerinnen und Musiker, die oft bis früh um Fünf in der heruntergekommenen Wohnung in Sofia ihre Partys feierten.
Es ging sehr emotional zu, es wurde viel gestritten, diskutiert, geliebt und versöhnt. Aber nicht lange. Dann fingen die Kriege von vorne an. Ich stand zwischen allen Stühlen und sehnte mich nach Frieden.
Doch wo war er zu finden? Auf Frieden folgte immer Krieg. Und auf Krieg folgte wieder Frieden. Immer im Wechsel, als gäbe es daraus kein Entrinnen. Und dazwischen stand immer die Hoffnung, dass es diesmal gut gehen würde und der Frieden und das Glück und die Liebe für immer hielten.
Es war eine sehr hartnäckige Hoffnung, die sich erst Mitte der 40ger Jahre meines eigenen Lebens erlösen sollte. In die Hoffnungslosigkeit hinein, die mir den Weg in einen wahrhaftigen Frieden ebnete. In einen Frieden, der nicht abhängig ist von Gut und Böse, von Hell und Dunkel, von Liebe und Hass.
Der Frieden, der hinter allem steht, wie der unberührbare Himmel, in dem alles erscheint, was wir wahrnehmen können.
Der innerhalb der Erdkugel kein Oben und kein Unten kennt.
„Der gleichgültige Blick der Liebe“, ist eine Annäherung an die Schönheit der Stille, die jeden Klang trägt, die aus jedem
Ton spricht.
Es geht um eine Berührung der Wahrheit, wie sie seit Jahrtausenden die Weisen dieser Erde besingen. Und der Versuch diesen Blick in das tobende Leben zu integrieren. Seine Tiefe und Schönheit zu beschreiben, die aller Vergänglichkeit innewohnt.
Wir können aus vollem Herzen leben, wenn wir unseren Ursprung kennen, wenn wir um das Wunder wissen, das den Frieden erst wahrnehmbar macht. Den unsagbaren Frieden, der uns hervorbringt, wie die ahnungslosen Augenlider den neuen Tag, wenn sie sich am Morgen heben, um ganz neu in die Welt zu sehen und neue Geschichten zu weben.
„Der gleichgültige Blick der Liebe“, ist eine Einladung Dich und das, was Du als Dein Leben erfährst auf eine Weise zu entdecken, die Dich in Dein göttliches Gehaltensein entführt und Dein Menschsein nahtlos integriert.
Kapitel
Auf dem Plumpsklo
mit Gott
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Was sind Erinnerungen? Diese schemenhaften inneren Bilder, die so oft an Gefühle geknüpft sind? Wo sind die Ereignisse, auf die sie verweisen? Wie kommt es, das wir an sie denken können, obwohl sie jetzt nicht mehr da sind? Jeder Augenblick wird zur Erinnerung. Jetzt ist es schon ein anderer Atemzug, der mich durchströmt. Jetzt ist es schon ein anderer Ort, auf den mein Blick fällt …
Wer sagt, dass nicht alles bereits eine Erinnerung ist? Wer sagt, dass nicht alles ein Traum ist, der aus Bildern und Gefühlen besteht? Aus Erinnerungen und Ereignissen, die kommen und gehen und im Kommen bereits vergangen sind? Wenn alles zu Erinnerung wird, woraus besteht es dann? Vielleicht ist Gott ein Gefühl, eine Erinnerung, ein Windhauch in der Mittagshitze …
Bis in die Teenagerzeiten hinein verbrachte ich die Sommerferien im Dorf meiner bulgarischen Großmutter. Dort hatte ich, ohne es zu ahnen, meine erste Begegnung mit Gott. Meine Großmutter basaß, zusammen mit ihren Brüdern, einen großen Bauernhof. Neben einem weiten Maisfeld bauten sie auch Tomaten und Melonen an.
Eine alte Kutsche, die unter einem Verschlag stand, zeugte von einer Zeit, in der noch Vieh gezüchtet und Felder bewirtschaftet wurden. Doch zu meiner Zeit gab es keine Tiere mehr und über allem hing der wehmütige Blick zurück in die lebendige und arbeitsreiche Vergangenheit einer Großbauernfamilie.
Ich kletterte oft auf die Holzkutsche und stellte mir vor mit einem Pferdegespann durchs Dorf zu fahren und die Bewunderung meiner bulgarischen
Freunde zu ernten.
Mittags war es im Juli und August immer sehr heiß. So heiß, dass die meisten Dorfbewohner in den kühlen Lehmhäusern blieben und dösten. Ich traf mich erst am späten Nachmittag wieder mit den Freunden, bis dahin war jedes Kind sich selbst überlassen und die Langweile war oft groß.
In den Siebzigerjahren war es bei den Bulgaren üblich, dass die Eltern in den Sommerferien ans Meer fuhren und die Kinder in den Dörfern bei den Großeltern ließen. Alle waren damit glücklich. Ich auch.
Die Langeweile in den Mittagstunden konnte mir die Faszination nicht rauben, die von einer tiefen Stille ausging, die durch die flirrende Hitze in mein Gemüt glühte.
Oft beobachtete ich die Gänse und Enten, die im Schatten der Lehmhäuser Schutz vor der sengenden Sonne suchten. Ich sah zu, wie sie ihr Gefieder putzen und die Schnäbel unter die Flügel steckten, um zu schlafen.
Ich sah, wie der Staub durch die Luft wirbelte, wenn sie sich stritten, und hörte wie das laute Geräusch ihrer Schreie das tiefe Schweigen zerriß, das über dem Dorfviertel hing.
Das Plumpsklo lag etwa 200 Meter entfernt vom Haupthaus, wo meine Großmutter auf der Liege in der Küche lag und döste. Ich hatte mich bald nach meiner Ankunft an den Geruch gewöhnt, der von der Grube ausging, über welcher ich auf einem Holzbrett saß, das einen kreisrunden Ausschnitt hatte. In einem Eimer lag Zeitungspapier, das mir immer den Hintern zerkratzte. Aber ich habe nie nach weichem Klopapier gefragt.
Mein Blick ging hinab zum Ufer des Flusses, in dem wir Kinder fast jeden Tag badeten. Ich konnte ihn vom Plumpsklo aus gut sehen. Das Ufer wurde von einer langen Reihe hoher Pappeln gesäumt. Manchmal saß ich sehr lange und starrte diese Bäume an, deren Kronen sich biegsam im heißen Wind bewegten. Ich sah den grünen Fliegen zu, wie sie umherschwirrten und saugte alle Eindrücke auf, wie ein Schwamm das Wasser.
Bis heute liebe ich den Anblick hoher Pappeln im Wind. Das Rascheln der Blätter habe ich immer noch im Ohr und das Zirpen der Grillen gehört in diese Erinnerungen, wie die schiefen, schwarzen Zähne zu den alten Dorffrauen.
Eine seltsame Berührtheit erfasste mich jedes Mal beim Anblick des schnell fließenden Flusses und der Bäume, die wie Soldaten in Reih und Glied standen und mir mit ihren silbernen Blättern winkten. Es war eine seltsame Schönheit, die mich ergriff, sie war so schön, dass mir oft Tränen in den
Augen standen.
Dieses Berührtsein war wie ein Kuss Gottes an seine Schöpfung. Es war eine tiefe Liebe die ich fühlte, eine Liebe, die in allem wohnt. Im Käfer genauso wie in den Bäumen, in den Vögeln genauso, wie in den Wolken, den Blättern, im Wind … Und in unseren Herzen auch. Wir sind daraus gewebt. Aus dem gleichen Stoff wie alles, was wir sehen, in unterschiedlichen Farben und Formen.
Alles, was in jenen Mittagsstunden von mir anwesend war, war dieser Blick in die Landschaft meiner Kindheit, die tiefe Berührung meiner Seele und die Freude am Leben zu sein. Dieses einfache Glück war ein Geschenk der Schönheit die mit ihrer vereinenden Kraft alle Grenzen in mir auflöste und mich still und selig sitzen ließ – inmitten von strengem Kotgeruch, trockenem Stroh, blauem Himmel, heißem Wind und diesem überwältigenden Blick auf die einfache Natur.
Diese Stille, die in allem liegt, ist wie eine geheime Spur jener göttlichen Kraft, die zu uns zurückführt. Indem wir sie in uns fühlen, blicken wir in den reinen Spiegel, der sich selbst im glücklichen Schweigen klarer Augen erkennt.
Es ist dieser Spiegel, in dem sich als Bilder, Erinnerungen, als direkte Erfahrungen und Ereignisse die Schönheit seiner Reinheit spiegelt, die Klarheit einfacher Anwesenheit, die ganz an sich selbst hingegeben ist. Es ist eine immerwährende Bewegung, die sich selbst verschleiert und wieder preisgibt, als die das Leben in Erscheinung tritt.
Das Leben entdeckt sich in Deinem Herzen, wie eine Blüte, die sich der Sonne hin öffnet. Sobald sich der Schleier hebt, der die Sicht auf Dein stilles Dasein verwehrt, um Dich durch diesen Schmerz, zur Suche nach Dir selbst anzuregen.
Kapitel
Warum wir nicht glücklich sind
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„Es gibt keine Materie, sondern nur ein Gewebe von Energien, dem durch intelligenten Geist Form gegeben wurde. Dieser Geist ist Urgrund aller Materie.“ – Max Planck
Geist erscheint sich selbst als nicht er selbst, also als scheinbar etwas anderes. Er wirft sich in die Polarität, um sich zu materialisieren. Und damit in die Selbsterfahrung zu treten. Das Absolute erscheint sich selbst als Relatives. Das ist die Urpolarität. Geist erscheint (sich selbst) als Materie.
Der Preis ist Selbstvergessenheit – Trennung. Das Ergebnis dieser Trennung ist Leiden. Ein anderer Name dafür ist „Ich“. Ich ist das Gegenteil von Sein. „Ich“ bedeutet: ein vollständig an seine Erfahrungsinhalte gebundener Geist, ohne die Wahrnehmung dieser Gebundenheit.
Eine Limitierung der ewigen Potenzialität von Sein. Ich ist also die eine manifestierte Möglichkeit, herausgetreten aus allen Möglichkeiten, die jemals möglich sein könnten. Je totaler die Limitierung ist, je größer die Identifikation, umso größer ist das Leiden des Geistes an sich selbst.
Wenn Bewusstsein, das sich als ich erfährt, auf seine Erfahrungswelt (Gedanken und Gefühle) reduziert ist, bin ich meine Gedanken und Gefühle. Dann denke ich, dass ich diese Form (dieser Körper) bin, die endlich ist und von anderen Formen getrennt. Bewusstsein sagt als Nicole ich zu sich. Wenn das so ist, erlebe ich den Faustschlag des Lebens direkt als Schmerz und seine Härte als Leid und seine Küsse als Ekstase und das, was ich als Liebe bezeichne.
Ich glaube dieser Wahrnehmung und halte sie für schicksalhaft, weil ich nur erleben kann, was ich zutiefst glaube zu sein und durch diesen Glauben dann auch bin. Meine Wahrnehmung richtet sich nach diesem Glauben. Beide sind verschmolzen. Aus der engsten Perspektive gesehen, bin ich Nicole, mit ihren individuellen Dispositionen und Befindlichkeiten, mit ihren Meinungen, Vorlieben und Abneigungen.
Aus dieser Perspektive gesehen, bin ich leicht unglücklich zu machen. Die Kritik eines anderen an meinen Meinungen reicht oft schon und mein Energiehaushalt gerät durcheinander. Dann erlebe ich ein Wechselbad aus heiß und kalt, das in meinem Körper fühlbar wird. Gedanken kreisen um die Kritikinhalte und prüfen ihren Wahrheitsgehalt. Es folgt ein endloser Dialog der Gedanken unter sich, dem „ich“ hilflos ausgeliefert bin.
Solange ich mir dieser Mechanismen nicht bewusst werde, bleibe ich im Glauben gefangen, dass ich meine Meinung schützen müsse, um mich selbst zu schützen. Ich bleibe im Glauben, dass der andere ein anderer ist, der mich angreift und erkenne nicht, dass ich auf eine Abwesenheit in mir selbst als Wahrnehmung getroffen bin …
Wenn ich „mich“ aus einer erweiterten Perspektive wahrnehme, erkenne ich, dass Nicole mitsamt ihres Körpers, ihrer Gedanken und Gefühle im Bewusstsein erscheint, das gleichzeitig als ihre Augen und durch ihre Augen sieht. Dieses Paradoxon wird dabei nur als solches gesehen, wenn ich aus der Ichperspektive schaue.
Wenn ich den erweiterten Blickwinkel einnehme, bedeutet es die Auflösung der Polarität in die Wahrnehmung selbst. Wahrnehmung ist kein dualer Akt. Sie findet nicht als Beziehung statt. In ihr gibt es kein Subjekt, das ein Objekt wahrnimmt. Wahrnehmung ist.
Gleichwie kann ich sagen: Ich bin. Und damit meine ich Dasein an sich, und nicht etwa nur Nicole mit ihren Befindlichkeiten. Mir wird hier erst bewusst, dass meine Meinungen nur deshalb meine Meinungen sind, weil ich mich aus der engsten Perspektive wahrnehme. Sie verlieren ihre Bedeutung, je weiter mein Sichtfeld wird.
Dasein wird durch meine Verkörperung wahrnehmbar als Ich. Bin ich mir meiner Anwesenheit als Anwesenheit gewahr, spielt Nicole und alles, was in Nicoles Leben auftaucht, keine Rolle mehr als etwas von Nicole Unterschiedenes. Ich erlebe das, was ist, als das, was ist, ohne mich davon gedanklich oder emotional zu trennen. Ich bin das, was in diesem Augenblick erscheint. Das ist nur schwer bis überhaupt nicht zu verstehen, wenn man aus der Ichperspektive sieht.
Dann glaubt man, man hat alles klaglos hinzunehmen, was einem widerfährt, um die freie Perspektive zu verkörpern. Doch die freie Perspektive kann nicht durch Aktivität oder Vermeidung zusammengebastelt werden, weil darin der Widerstand erhalten bleibt. Sie stellt sich ein, wenn man an den aktuellen Augenblick hingegeben ist. Das bedeutet die Widerstandslosigkeit jedweder Erfahrung gegenüber.
Es ist nichts anderes als der Widerstand gegen die Wahrnehmung unserer Gedanken und Gefühle, der uns leiden lässt. Wir wollen nicht sehen was wir denken. Wir sind eins mit dem Denken, dass unsere Situation anders besser wäre. Wir fühlen uns unglücklich, weil ein gewolltes Gefühl nicht mehr da ist, da der Auslöser dieses Gefühls vielleicht weg ist.
Wir wollen lieber schöneres Wetter, mehr Geld, ein besseres Auto, eine liebevollere Frau, einen lukrativeren Job, bessere Entscheidungen der Regierung, weniger Druck, mehr Zeit, bessere Freunde, mehr Verständnis, weniger Sorgen, eine stabilere Gesundheit …
Wir verlangen dieses und stoßen jenes von uns und hinterfragen das in keiner Weise. Das ist das Hamsterrad der Dualität. Anstatt alles direkt wahrzunehmen, was und wie es geschieht – im geistigen Raum wie im materiellen Raum. Dann ist das schlechte Wetter das Erlebnis von diesig, grau und neblig.
Und eben nicht von sonnig und heiter. Wenn wir eingelassen sind auf die Wahrnehmung, können wir sogar die Schönheit von diesig, kühl und neblig erfahren, weil wir aufgehört haben zu vergleichen.
Wir erfahren einfach nur das, was ist, und tauchen darin ein, ohne Vergleich und Urteil. Eine ganz neue Dimension tut sich der Wahrnehmung von hier aus auf. Eine Wahrnehmung, die dem urteilenden Verstand von Natur aus verschlossen bleibt.
Er hält fest an seiner Auffassung von besser und schlechter. Dadurch entgeht ihm die Erfahrung ganzheitlicher Tiefe und Schönheit. Sein fragmentarischer Charakter gereicht ihm hier zum Ende seiner Welt und lässt ihn ewig in sich kreisen.
Ihm entgeht die Erfahrung von zeitlosem DaSein, das kein Interesse an der Auswahl seiner Erfahrungen hat, weil es nur an der Erfahrung interessiert ist und nicht an Inhalten. Es erfährt sich in jedem Fall selbst, egal was gerade stattfindet. Einfach weil es stattfindet.
Fesselt mich, beispielsweise, eine Krankheit ans Bett, werde ich sie verstärken, wenn ich mich gegen sie wehre. Wenn ich mich plage, mit Gedanken an das Warum und Weshalb, oder mit Sorgen an die Zukunft, dann verfehle ich die Forderung der Krankheit: Dasein. Absolutes Hinsehen. Totale Anwesenheit.
Keine Trennung, sobald ich der Wirklichkeit meiner Erfahrung in die Vorstellungswelt der Gedanken folge. Ich gehe durch die Krankheit durch, indem ich sie komplett annehme und vollbewusst erfahre, was bedeutet, mit meiner gesammelten Aufmerksamkeit da zu sein, wo die dominante Erfahrung meiner selbst ist.
Je weniger ich dazu gewillt bin, umso weniger wird mich das Leben „auslassen“ und die Bandagen verschärfen. Mich – also den Widerstand – preiszugeben und dazubleiben, ist was Hingabe ist und beinhaltet die größte Chance auf Genesung. Natürlich immer abhängig vom Schweregrad der Beeinträchtigung.
In der Hingabe an das, was ist, ist das Erleben nicht mehr von der Abwesenheit der Anwesenheit gegenüber getrübt. Je mehr ich mir über mein Dasein bewusst bin, um so weniger haben die Erfahrungen des Lebens mehr die Kraft dieses bewusste Dasein zu vernebeln. Gleichzeitig wird weniger Unglück wahrgenommen.
Anwesenheit ist sich selbst genug. Sie ist als Selbstwissen von sich erfüllt. Sie braucht nichts Zusätzliches zu sich selbst. Und dort, wo sich sogar das Ich bin erlöst, ist pures Dasein anwesend.
Die vielstufige Reise in dieses Dasein, das nie abwesend war und ist, wird nur aus der Ichperspektive als schmerzhaft, schwer und mühevoll erlebt, solange diese Perspektive auf sich selbst besteht. Oder anders gesagt: solange das einfache, unvernebelte Dasein noch nicht bis ins ichhafte Bewusstsein vorgedrungen ist.
Sobald das geschieht, verblasst die Ichhaftigkeit. Sie verliert ihre Festigkeit, ihre Substanz, weil sie ihren Sinn verliert. So, wie jede neue Erkenntnis einen alten Glauben auflöst und dieser Glaube verschwindet, als wäre er nie dagewesen.
Mancher Glaube erscheint, im neuen Licht, sogar absurd. Wie, zum Beispiel, jener, dass die Erde eine Scheibe sei, nachdem ihre wahre Form entdeckt wurde. Genauso erlöst sich die Ichhaftigkeit in die Wahrnehmung des Daseins, das direkt erfährt, was geschieht. Wir sind deshalb nicht glücklich, weil wir uns Glück als die Anwesenheit von dem einen und die Abwesenheit von dem anderen vorstellen.
Dadurch verfehlen wir die Erfahrung des Daseins, das in sich selbst, als es selbst, Glücklichsein ist. Dieses Glücklichsein wiederum ist keine Emotion der überbordenden Freude, so wie es die Ichperspektive kennt. Sie kennt Glück nur als das Gegenteil von Unglück.
Und das äußert sich als eine hochfrequente Vibration von Energie, die wir als freudige Emotion empfinden. Das Glücklichsein aber, das Teil der Natur des Daseins ist, ist von so transparenter Klarheit, dass es an Leichtigkeit nicht zu überbieten ist. Ein Dasein, befreit von sich selbst als Projektion, erscheint zwar niemals ohne die Projektion, weiß darin aber von sich als Urgrund jeder Erscheinung.
Du bist in der Welt aber nicht von der Welt. Du bist sich seiner selbst bewusstes Wissen, das sich in unendlichen Facetten seines Seins erfährt. Das ist Dasein.
Allein dieses Wissen um sich selbst ist es, das Glücklichsein ausmacht. Ein Glück ohne Gegenteil, weil in diesem Glück alles enthalten ist, was ist und jemals sein wird. Du selbst zu sein hat sowohl unendliche Wahrnehmungsdimensionen, die weit über dein Ichempfinden hinausführen, als auch überhaupt keine Dimension. Weil Du Dich immer nur hier und jetzt erleben kannst. Durch das, was Du jetzt erlebst.
Es gibt daraus kein Entkommen, weil es keinen anderen Ort gibt als den, dem Du gerade gewahr bist. Egal, was geschieht. Auch wenn Du jetzt mit Durchfall auf dem Klo sitzt oder gerade ein Gedicht über die herzzerreißende Zartheit von Kirschblüten schreibst.
Die Abwesenheit des Widerstands gegen das jetzt Wahrgenommene lässt uns in die Zeitlosigkeit fallen und uns zu reinem Erleben öffnen. Dann bist Du die Ewigkeit, in der aller Wandel geschieht.
Dieses Wissen um Dich selbst ist das Herz von Glückseligkeit, das sich überall begegnet.
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Die höheren Oktaven des Lebens
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Wenn sich die Augen der Liebe in einem Menschen öffnen, empfängt ihr gleichgültiger Blick alles, was in ihm erscheint. Die Augen der Liebe verschließen sich nicht. Sie stehen immer offen. Bereit zum Empfang. Dieser freie Empfang erfährt alles Auftauchende in seiner Unterschiedlichkeit, belässt diese Unterschiedenheit jedoch in gleicher Gültigkeit.
Wie sich am offenen Himmel alles unbehelligt zeigt, so zeigt sich unbeschnitten jede Regung, jedes Bild, jede Empfindung und jeder Klang in einem Menschen, dessen Geist, Herz und Instinkt offen stehen. Alles zeigt sich unbehelligt, unbewertet, unhinterfragt. Wie Nebelschwaden, die an einem kühlen Morgen im Herbst aus den Wiesen steigen, so steigt alles auf, was sich im Blick jener Wahrnehmung zu erkennen gibt, die unumwunden sieht, ohne sich abzuwenden.
Natürliche Intelligenz ist eingebettet in ein stilles Bewusstsein. Ein Bewusstsein, das auf sich selbst besonnen ist und sich dadurch selbst als Basis erkennt. Von dieser Basis aus gelingt der umfassende Blick auf Situationen, die durch diesen freien, anhaftungsfreien Blick ihren wahren Sinn verdeutlichen. Eine der Facetten dieser Intelligenz ist die gleichgültige Liebe, die, wie ein fruchtbares Feld, jedem Samen in die Blüte verhilft. Ganz gleich, welche Information er in sich trägt.
Diese hochschwingende Frequenz der Liebe zu entdecken, steht jedem Menschen offen, denn jeder Mensch ist mit allen Instrumentarien dafür ausgestattet. Jene, die einen direkten „Draht“ zum Herzzentrum spüren, finden den Zugang zu dieser Facette leichter. Andere, die eine deutlichere Verbindung zum Geistigen verspüren, erfahren die natürliche Intelligenz eher als Klarheit oder innere Transparenz. Sie entdecken die feinstofflicheren Möglichkeiten des inneren Sehens, die ihnen erlauben neue Welten in Form prinzipieller Zusammenhänge zu ersehen und damit in die Manifestation (Sichtbarkeit) zu „holen“.
Andere fühlen sich mit dem Instinktzentrum verbunden und erfahren, durch die spezielle Offenheit für energetische Regungen, den wahrnehmenden Blick als Einblick in die Schwingungen und Frequenzen des unsagbaren Lebens. Es geht um jene Energie, die unterhalb der begrifflichen Ebene stattfindet und als impulsgebende Urkraft das machtvolle Nervengeflecht unserer unterirdischen Triebe offenbart. Hier stellen sich die Elementarkräfte jenem zur Verfügung, der unerschrocken bereit ist, die Kraft der Lebendigkeit als vitalen Lebensimpuls durch seine Venen fließen zu lassen. Dadurch werden alle Zentren menschlichen Bewusstseins mit der Stärke eines ungebremsten Lebenswillens befeuert.
Grundlegend stehen alle Zentren immer offen. Doch sind die meisten Menschen im 21. Jahrhundert noch nicht umfassend dazu in der Lage diese Offenheit wahrzunehmen. Partielle Öffnungen im Bewusstsein haben seinerzeit Genies hervorgebracht, die uns gezeigt haben, was spezielle Durchlässigkeiten einzelner Sinne in der Lage sind zu offenbaren. Ein überentwickelter Hörsinn, beispielsweise, hat einen Beethoven, einen Mozart, einen Händel hervorgebracht. Geniale Künstler jeder Art geben Zeugnis über die immensen Möglichkeiten offener Sinneskanäle ab. Und „genial“ bedeutet nichts anderes als hochqualitativ – was wiederum nichts anderes als konzentriert, unabgelenkt und direkt bedeutet.
Bilige Ware ist jene Ware, die schnell, günstig und nachlässig produziert wird. Als qualitativ hochwertig gilt alles, was die volle Aufmerksamkeit bekommt und damit gleichzeitig Zeit und Hingabe erfährt. Ein Klima, in dem wachsen und gedeihen kann, was mit Aufmerksamkeit bedacht wird, denn sie ist nichts anderes als gerichtete Liebe in Bewegung. Je mehr anhaltende Aufmerksamkeit etwas bekommt, um so mehr wird es geliebt. Somit ist Aufmerksamkeit unser höchstes, doch leider noch immer vollkommen unterschätztes Gut.
Talent äußert sich als „angeborene“ und damit spontane Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung. Jemand ist gut in etwas. Sei es musisch, mathematisch, sprachlich oder gestalterisch.
Widmet er diesem Talent Aufmerksamkeit, entwickelt es sich weiter. Verspürt er keinen Drang sich dem hinzugeben, verkümmert es. Es ist die Kraft der Aufmerksamkeit, die steuert, was sich durch einen Menschen ausdrückt.
Unser Dilemma ist, dass wir nicht wahrnehmen, wo unsere Aufmerksamkeit gebunden ist. Wir nehmen nicht wahr, wohin wir den lieben langen Tag unseren Blick richten. Denn alles, was in diesem Blick erscheint, wächst an und bestimmt unser Leben.
Wir dürfen anfangen zu fragen, wer oder was unsere Aufmerksamkeitsrichtung bestimmt. Wir selbst und unsere Talente? Oder sind Werbeangebote jeder Art, Medienberichte, gesellschaftliche Normen, unser materialistisches Weltbild, familiäre Prägungen, frühkindliche Erfahrungen, unbewältigte Traumata und so fort jene Einwirkungen, die unsere höchste Kraft in ihren Grenzen halten?
Es sind die spirituellen Größen aller Zeiten, die uns demonstrieren, was es bedeutet, wenn alle Zentren menschlichen Bewusstseins offen stehen: Wir erlangen eine umfassende Wahrnehmung dessen, wer wir sind. Hier offenbart sich die Brillanz natürlicher Intelligenz, deren Facetten sich durch das jeweilige Talent des Menschen präsentieren.
Es sind die Mystiker aller Zeiten, die verdeutlichen, was dem Menschen möglich ist, wenn er den gleichgültigen Blick der Liebe in sich selbst entdeckt.
Dann entdeckt er nichts geringeres als das Wunder der Wahrnehmung. Wenn sich Wahrnehmung selbst durch das Wahrgenommene entdeckt, blickt die reine Liebe durch menschliche Augen. Die reine Liebe kann nichts anderes als sich selbst in der Schöpfung entdecken, egal, wie sich die Schöpfung präsentiert.
Durch diesen heilen Blick löst sich der Griff der Aufmerksamkeit, der sie in sie selbst limitierenden Glaubensrichtungen gefangen hält. Es ist das geistige Festhalten, das Glauben produziert. Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist ein Produkt des Glaubens.
Freie Aufmerksamkeit richtet sich nicht nach Denkgewohnheiten, die sich zu Normen verfestigt haben und unsere Blickrichtung vorgeben. Sie richtet sich nach dem freien Fluss der Wahrnehmung, der durch einen glaubensfreien (auf sich selbst reduzierten) Geist strömt.
Wenn ein Mensch den Wunsch in sich entdeckt, herauszufinden, was ein freier, ungezwungener Energiefluss bedeutet, was der spontane Ausdruck von Inspiration und die Offenheit eines klaren Herzens bedeuten, wird er den Weg der Entbildung von jeglichem Glauben gehen.
Er wird sich Schritt für Schritt von den Fesseln einer Identität befreien, die ihn an den angstvoll begrenzten Raum von Platos Höhle bindet, anstatt die wahre Welt zu entdecken.
Jeder Mensch kennt Momente einfachen Daseins, das, unüberlagert von Meinungen und Ideen, von gesellschaftlichen Rollenbildern, von irgendetwas, was wir glauben zu sein, unseren Blick freigibt. Dann erleben wir die Schönheit der Erscheinungen.
Wir erleben in großer Stille einen Sonnenaufgang, verfolgen in staunender Aufmerksamkeit den Gang der Spinne, die scheinbar schwerelos zwischen Baum und Erde ihr Netz spinnt, und entdecken in den einfachen, offenen Begegnungen mit anderen Menschen die Liebe der Existenz zu sich selbst – in uns.
Diese Momente müssen keine Momente bleiben, wenn wir der angeborenen Neugier und Freude des Lebens an sich selbst folgen wollen. Der Mut, den wir aufbringen müssen, ist, unseren tiefsten Glauben in Frage zu stellen, allem auf den Grund zu gehen und damit leer zu werden von den bereits vorgefassten Strukturen unseres Geistes.
Wenn Bewusstsein auf sich selbst aufmerksam wird, erfahren wir die Basis unseres Daseins. Hier liegt das Fundament, das uns in die unlimitierten Möglichkeiten menschlichen Bewusstseins führt. Getragen von grenzenloser Offenheit, reiner Liebe und totaler Lebenskraft sprengt es jeden Superlativ, den ein gewöhnliches Bewusstsein sich vorstellen kann.
Wir haben das Potenzial unseres Menschseins noch nicht einmal in Ansätzen berührt. Erst wenn der Einzelne in sich die Ganzheit des existenziellen Ursprungs erkennt, sieht er mit Augen in die Welt, die diese innere Einheit (zwangsläufig) repräsentiert. Dann hört er auf, sich wie eine Autoimmunkrankheit gegen sich selbst zu richten und diesen Kampf als sein Leben und die Welt zu erfahren.
Er sieht als Liebe in die Welt, die darin heil ist, weil alles in ihr koexistieren kann, was koexistiert. Die Bewusstheit über die unbehelligte Koexistenz aller Dinge bringt jene Entspannung des Geistes hervor, die alles zum Erblühen bringt, was in dieser Wahrnehmung erscheint. Dann erleben wir die höheren Oktaven des Lebens als Aufschwung in die unbegrenzten Möglichkeiten geistiger Schöpfung, die sich durch eine unbeschränkte Individualität in den menschlichen
Ausdruck materialisiert.
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Alles antwortet sich selbst
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Warum verbinden sich die Minus- und die Pluspole von Magneten? Und warum stoßen sich zwei Pluspole und zwei Minuspole ab? Es ist die polare Natur des Lebens, die sich darin widerspiegelt. Anziehungskraft herrscht dann, wenn zwei unterschiedliche Objekte in gleicher Qualität unterschiedlich sind. Wie Plus und Minus. Plus ist rein Plus und Minus ist rein Minus.
Um eine fruchtbare Einheit zu ergeben, müssen sie sich verbinden. Das tun sie auch, weil sie sich durch ihre Gegensätzlichkeit natürlicherweise anziehen und weil sich gleiche Ladungen abstoßen. In der Phänomenalität weist diese Anziehung auf die materielle Manifestation des geistigen Prinzips der Dualität hin.
Mann und Frau sind wie der Plus- und der Minuspol, die sich zu einer Einheit verbinden. Durch dieses Einswerden wird eine neue physische Verbindung erschaffen. Ein neuer Mensch. Die Eizelle der Frau repräsentiert in Form und Funktion die reine, ungeteilte Potenzialität. Das Spermium agiert als Wille oder Impuls, der in die Potenzialität eindringt und sie dazu anregt sich zu teilen. Durch diese Teilung findet eine neue Form (in Gestalt neuer Verbindungen) in die Manifestation und damit in die Welt der Erscheinungen.
Das ist der Akt der Schöpfung. Es sind zwei Kontraste, die in die Einheit führen, die in Kontraste zerfällt, um wieder in die Einheit zu finden: der Puls des Lebens.
Alles Wahrnehmbare basiert auf dieser Resonanz, auf der Antwort zu dem, was sich ereignet. Zellen antworten einander. Atome antworten einander, Nanoteilchen antworten einander, Quarks antworten einander usw. Die Kommunikation reicht bis in die kleinsten, messbaren Teilchen der Materie. Ein reiner Informationsaustausch, der zu Verbindungen führt, die zu Verbindungen führen. Dort, wo nicht kommuniziert wird, gibt es keine Verbindung oder sie reißt ab. Dieses Prinzip können wir überall beobachten.
Am einfachsten sichtbar ist es für uns bei Menschen, die nicht miteinander reden. Wenn sie sich anschweigen, gibt es keine Kommunikation, keine Verbindung und damit auch keine Einheit. Dann ist der Austausch blockiert. Und das ist die Information: Blockade. Hier geht’s nicht weiter. Abstoßung ist die Folge, wenn sie anhält. Es gibt natürlich auch eine schweigende Kommunikation, die dann entsteht, wenn eine Verbundenheit auf tieferer Ebene herrscht.
Wenn Menschen sich auch auf unbewussten Ebenen positiv antworten, verbindet sie etwas Unsagbares, das nicht an die bewusste Oberfläche dringt. Sie fühlen sich an den anderen gebunden, ohne zu wissen, warum. Ist die Kommunikation unter Menschen fruchtbar, verbinden sie sich zu Einheiten, aus denen Projekte entstehen, neue Schöpfungen, die zu weiteren Verbindungen führen.
Alles Materielle beruht auf diesen Resonanzen. Ein Stuhl erscheint fest, weil seine Bestandteile Verbindungen eingegangen sind, die aufgrund ihrer postitiven Antwort aufeinander an sich festhalten. Würden wir in ihn reinzoomen, könnten wir erkennen, dass es die Verbindungen von unzähligen, positiv und negativ geladenen Teilchen sind, die ihm auf der, für uns Menschen sichtbaren Ebene seine feste Form verleihen. Eine Form, die nie fest – also unbeweglich – ist, was der Grund für ihren schleichenden Zerfall ist.
Wo würden wir landen, wenn wir so weit reinzoomen (hinschauen), bis keine Teilchen mehr messbar sind? Wir landen auf der feinstofflichen Ebene. Im geistigen Raum. Hier begegnet uns die Welt der Bewegung in Form von Schwingungen. Auch diese energetischen Bewegungen, auch diese Schwingungen tanzen miteinander. Auch sie stehen im Austausch miteinander, auf einem viel subtileren Niveau. Hier betreten wir jene Welt, die dem Sichtbarkeitsspektrum des menschlichen Auges vorausgeht.
Eine Welt, die nur mit den feinen Antennen der reinen Wahrnehmung empfangen werden kann – einer auf sich selbst reduzierten Wahrnehmung, die sich aus der Summe des Verbundes perfekt „geputzter“, und damit von Zerrfiltern nicht überlagerter Sinnesorgane ergibt.
Aber das stimmt nur halb. In Wirklichkeit müssen wir auf die Feinheit jener Wahrnehmung stoßen, in der die Sinnesorgane auftauchen, statt dass sie selbst aus den Sinnesorganen erwächst, was sie ebenfalls tut.
Das ist das paradoxe Geschehen, das aus der Perspektive einer erhöhten Wahrnehmungsstufe die uns bekannte Ursache und Wirkung Logik ablöst. Nur die Fühler dieser Wahrnehmung sind fein genug, um tief in das hineinzublicken, was Wahrnehmung selbst ist. So weit hinein, bis sich keine Antwort mehr vernimmt, bis jeder Tanz zwischen Erscheinung und Nichterscheinung zum Erliegen gekommen ist und reine Stille als ein tiefes „In sich selbst Ruhen“ als letzte Wahrnehmung vernehmbar ist…
Bis ein Weckruf, ein Zucken, ein kaum merklicher Pulsschlag in der Stille die Netzhaut des Universums erneut in den Blick des Lebens wirft. Das Leben ist die Antwort auf den Tod. Das Sein ist die Antwort auf das Nichtsein. Und der Tanz beginnt erneut. Der Tanz, der nie aufgehört und nie begonnen hat. Als ewig ungesagte Antwort auf sich selbst.
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Spiegel im Spiegel
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Ich bin alles, was ich erfahre, weil ich es erfahre.
Ich bin nichts, was ich erfahre, weil ich es erfahre.
Auf der höchsten Ebene von Bewusstsein gibt es keine Angst. Hier ist die unausgesprochene Einsicht ungetrübt, dass jede Erscheinung eine Modulation von Bewusstsein selbst ist. Stille, die sich als Bewegtheit erfährt. Unsagbares, das in die Sagbarkeit tritt. Es ist es selbst, in jeder Erfahrung. Wie könnte etwas, das es selbst ist, vor sich selbst Angst haben? Doch nur, wenn es sich nicht als es selbst erkennt und sich seiner dadurch nicht bewusst ist.
Auf der grobstofflichen Bewusstseinsebene sind diese Aussagen unverständlich. Hier brauchen wir Gedanken und Emotionen, um auf uns, als sich seiner selbst bewusstes Bewusstsein, aufmerksam zu werden. Gedanken und Emotionen sind Verzerrungen im Bewusstsein. Sie sind das Zerrbild spontaner Einsichten und jener energetischen Bewegungen, die als Gefühle in Erscheinung treten.
Gedanken und Emotionen sind verzerrte Erscheinungen eines verzerrten Bewusstseins im Gewahrsein. Gewahrsein ist der Blick selbst, dessen Sehkraft in die Welt sieht, die allein durch das (Hin-)Sehen in die Sichtbarkeit tritt. Das Sehen selbst erschafft den Raum und seinen Inhalt, in dem die Lebenszeit zu ticken beginnt. Wir erleben uns als und im Bewusstsein.
Was wir so gut wie nie realisieren, ist, dass zum Sehen der Blick gehört. Er ist so unscheinbar, dass er stets übersehen wird. Wir sind auf die sichtbare Bewegung fixiert und übersehen ihre unsichtbare Grundlage. Was ist ein Blick, wenn wir das Sehen mal weglassen? Er ist nichts, worüber eine Aussage getroffen werden könnte. Der Blick hat keine Qualitäten, keine Eigenschaften. Aber er ist das, was dem Sehen als Grundlage vorausgeht. Er verbleibt als Theorie, als Verweis auf sich selbst durch die Praxis des Bewusstseins.
Nur im Bewusstsein werden wir des Gewahrseins gewahr. Oder anders: Das Absolute erscheint ausschließlich im Relativen. Hier wird erkannt, dass es jeder Erfahrung voransteht. Seine Realisation offenbart sich als Nichtsein, das wort- und ortlos in sich sebst ruht.
Als Erschienene entsprechen wir Menschen in Form und Wirken direkt jener Qualität des Bewusstseins, das im Gewahrsein erscheint. Wir sind die ungeputzte Brille, durch die der Blick derzeit sieht, und gleichzeitig das, was durch die verschmierten Gläser gesehen werden kann.
Gedanken und Emotionen sind das Ergebnis einer Art Anspannung im Geist. Weicht die Anspannung in der Loslösung, verlangsamt sich die Schwingung der Wahrnehmung. Die Brille ist geputzt (oder im besten Fall abgenommen.) In der entzerrten, also natürlichen Aufnahmefähigkeit dessen, was im Blick erscheint, zeigt sich das Wahrgenommene ebenfalls in seiner Natürlichkeit. Gedanken wandeln sich zu Einsichten, die aus dem Augenblick heraus ins Bewusstsein treten. Anstatt als das kristallisierte Ergebnis der Anhaftung an Vorerfahrungen in den Raum zu treten, zeigen sich Zusammenhänge einfach so. Spontan und direkt.
Emotionen – aus Gedanken geborene, hochvibrierende energetische Frequenzen – werden zu Schwingungen, welche die inhärente Qualität dessen, was sieht, durch das uneingeschränkte Fühlen widerspiegeln. Was sich in vollkommener Aufmerksamkeit zeigt, wird fühlbar als Schönheit. Wenn Angst auftaucht, zeigt sie sich nun ihrem Wesen nach als Konzentration der Energien, Schmerz als der Aufruf zur Zuwendung oder Zorn als direkter Ausdruck einer Kraft, die unbewusste Strukturen sprengt.
Die Leerheit des Blickes, der durch die entfallene Anspannung des Bewusstseins in die Fülle seines Selbstausdruckes sieht, demonstriert durch das Gesehene sein unendliches Wesen. Der unfassbare Reichtum seiner Ausdrucksvielfalt eröffnet sich im Nichtsein seiner Selbst. Erst in diesem bewussten Nichtsein zeigt sich das Sein in seiner Vollheit. Das ist das göttliche Paradox, das als dem Dasein innewohnende Seligkeit in die Erfahrung tritt. Sein, das sich selbst in allem wiedererkennt, hat keine Veranlassung mehr Angst vor der Angst zu produzieren, um auf die innere Gespaltenheit aufmerksam zu machen.
Wo keine Spaltung im Sehen existiert, gibt es keinen Widerstand gegen das Gesehene. Und damit erscheint alles sich selbst gemäß. Die Schöpfung ist aus sich selbst heraus gut, weil der Schöpfer selbst ist, was als reine Liebe erfahrbar wird. Eine Liebe ohne Gegenüber. Ein ewiges Schwingen in sich selbst als Spiegelung der endlosen Fülle der eigenen Ausdrucksfähigkeit.
Kapitel
Hinter den Grenzen der Wahrnehmung …
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Hinter den Grenzen der individuellen Wahrnehmung
eröffnet sich die Freiheit zu sein = NEXT LEVEL
Immer dann, wenn man vor großen Schwierigkeiten steht, hat man die Chance die Grenzen seiner Wahrnehmung zu überschreiten. Man hat die Chance etwas Neues zu entdecken und eine neue Sichtweise, eine neue Perspektive, einen erweiterten Wahrnehmungsrahmen zu etablieren.
Es sind die schweren Gefühle, die großen Hürden, die letzten Diagnosen, die Endgültigkeiten im Leben, die das Tor bilden, das in neue Dimensionen des Bewusstseins führt.
Wir können den Geschicken des Lebens dankbar sein, wenn sie uns an den Rand des Erträglichen führen. Dann erst werden uns Möglichkeiten geboten zu erkennen, dass die Überzeugung selbst und die starken Gefühle, die sie nach sich zieht, es sind, die jene Spaltung verdeutlichen, die unser grundsätzliches inneres Einssein vernebelt.
Allem, dem wir eine Bedeutung im Übermaß zugestehen, ist durch das Übermaß selbst ein Hinweis auf die innere Spaltung. Jedes Extrem ist ein Hinweis auf eine entgleiste, weil gespaltene innere Polarität. Wir lehnen bestimmte Gefühle ab, wollen andere Gefühle aber erleben. Die Auswahl selbst ist der Fingerzeig auf die Nichtwahrnehmung der Natur dessen, was wir sind.
Wir sind uns nicht bewusst, dass wir in unserer eigenen Natur stattfinden. Die Ungewissheit darüber ist verantwortlich für alle Ängste, die als Grundlage jeder Vermeidungshaltung unsere Handlungen bestimmen.
Alles, was bedeutend scheint, wird festgehalten. Somit vermeidet man die Gefühle, die mit dem Loslassen einhergehen. Alles Ungewollte wird abgestoßen. Damit werden jene Gefühle umgangen, die man von einer direkten Auseinandersetzung erwartet.
Erst wenn die eigene Wahrheit erkannt ist, braucht es weder das Festhalten noch die Abwehr. Schädliche Energien finden erst gar keinen Anhaltspunkt. Einander entsprechende Frequenzen verbinden sich in natürlicher Resonanz. Doch selbst wenn Dissonanzen entstehen – Handlungen sind ein Ausdruck der eigenen Natur.
Festhalten, um das Loslassen zu vermeiden, und Abwehr, um das sich Einlassen zu umgehen, haben hier keine Bedeutung. Sie machen einfach keinen Sinn und tauchen deshalb nicht auf. Hier setzen wir natürliche Grenzen und empfangen, was
wir sind.
Das Einzige, was wahr ist, das Einzige, was uns rettet, und das Einzige, was nie vergeht, ist die Natur dessen, was uns erscheint. Es ist die Natur aller Erscheinungen, die sich niemals verändert. Die Natur des Lebens selbst.
Es ist die Stille, jene ungreifbare Unbenennbarkeit, die sich jedem Zugriff entzieht, die niemals anfängt, niemals endet und sich niemals verändert. Sie ist die Zuflucht, die uns von jedem Glauben erlöst. Sie ist es, die uns ergreift und zum Sein dessen anhebt, was der Natürlichkeit des Lebens entspricht.
Sie liegt im Rauschen der Blätter, im Licht, das zwischen den Bäumen tanzt, in den Farben des Herbstes und in der Offenheit des Herzens. Sie ist es, die alles trägt, alles sichtbar macht, die dem gleich-gültigen Blick alles präsentiert. Die zur Ruhe bringt, was sich haltlos aufbäumt, wenn es sich an falsche Identifikationen klammert und in den Abgrund seiner Projektionen fällt.
Es ist der gespaltene Geist, der um sich selbst kreist, weil er nicht sehen kann, weil er nicht fühlen kann, weil er denkt und damit konstruiert und an Dinge glaubt, die der Ewigkeit nicht standhalten. An Dinge, die keine Repräsentanten der Stille sind, sondern lediglich Ergebnisse einer begrenzten Wahrnehmung dessen, was als lebendige Anwesenheit alle Grenzen sprengt.
Um eine Grenze zu überschreiten, muss man zuerst an eine Grenze kommen. Dafür braucht man ein inneres Klima der Bereitschaft sich einzulassen. Ansonsten bewegt man sich in einem starren Rahmen, in einem engen Radius, dessen Erfahrungsmöglichkeiten sich als freier Wille tarnen, um in den angstbesetzten Vermeidungen verharren zu können.
In diesem Rahmen wird diskutiert, lamentiert, manipuliert, verschwiegen, abgewehrt, gefordert, getrickst, verraten usw. Hier erhöht und erniedrigt man sich und andere. Hier sucht man nach der Bestätigung seiner Ansichten, um nicht zu spüren, wie wenig selbstverständlich sie einem selbst erscheinen.
Die Extreme sind es, die sowohl als Ergebnis der inneren Spaltung in Erscheinung treten, als auch das Tor bilden, das in den Ausgleich führt – in den Ausgleich, der zwar auf das Unterschiedene, aber darin nicht Getrennte verweist. Das Relative im Absoluten ist der Unterscheidung fähig und damit des Erkennens.
Sobald es aber trennend und damit vergleichend in Erscheinung tritt, ist es verblendet und zeigt sich als gefallener Engel in der Dunkelheit der Unwissenheit. Unsere angstvolle, konfliktbeladene Welt ist ihr direkter Ausdruck.
Es ist die Intensität, die einen Menschen an den Rand seiner begrenzten Welt führt. Sie ist das Sprungbrett in die Stille, in der alles viel zu Intensive seine Bedeutung verliert, weil es einer lebendigen Anwesenheit weicht, in der jeder Zyklus des Lebens in vollkommener Ausgeglichenheit existiert. Jeder Vergleich ist im Ausgleich unhaltbar.
Der neue Frühling erblüht in die Reife des Sommers hinein, dessen Früchte in den Herbst fallen, der sich in die Ruhe des Winters zurückzieht, aus dem heraus sich neue Kräfte bilden, die in die ersten Frühlingsknospen drängen… Alles fließt ineinander über, nachdem es ganz es selbst war, vor dem Hintergrund jener Stille, die allem zugrunde liegt. Hier ist niemand, der auswählt, festhält oder von sich stößt. Deshalb ist alles, wie es ist. Es folgt seiner Natur.
Ein wacher, frei sehender und frei fühlender Mensch folgt seiner Intuition. Sie ist das sicherste Navigationsgerät, das seine Wege und Handlungen bestimmt. Nur aus ihr kann Harmonie erwachsen, weil sie reine Natürlichkeit ist. Somit ist dies der direkte Ausdruck der grundlegenden Einheit einer unbestimmten und unbestimmbaren Wahrnehmung und dadurch in der höchsten Ordnung verankert.
Es geht um das Aufwachen aus dem spaltenden Willen, der dem Mangel entspringt, der wiederum ein Ausdruck des inneren Getrenntseins ist. Das Erwachen aus dem Mangel in die Fülle der Natur dessen, wer wir wirklich sind. Fülle, aus der Leerheit geboren. Sein, das im Nichtsein erblüht.
Unsere unwandelbare, transparente Natur ist es, die wirklich ist. Sie ist der wahre Halt im Wahnsinn der für sicher gehaltenen, äußeren Sicherheiten, die immer bedingt sind und damit in die Korruptheit der Abhängigkeit führen.
Allein deshalb ist es notwendig, ebenso all dem zu begegnen, was man nicht will, wie man dem begegnet, was man will, um den Rahmen seiner Wahrnehmung zu öffnen. Nur so kann man die Grenze überschreiten und ins gelobte Land finden, in dem Milch und Honig fließen. Denn nur im Überschreiten dieser Grenze der Wahllosigkeit wird klar, dass der Ort der Sehnsucht schon immer hier ist. Hier, wo der Wille des Geschehenden regiert.
Ein alles umfassender Wille, der an seine ihm innewohnende Ausrichtung hingegeben ist. Ein Wille als Eigendynamik, eine sich selbst entzündende Kraft, die will, was sie sieht, weil sie will, was sie ist, weil sie um sich selbst als Quelle aller Erscheinung weiß.
Doch das bleibt so lange verborgen, wie man nicht alles Innere zulässt und damit ins Bewusstsein vordringen lässt, was gedacht und gefühlt wird. Und das verhindert die Authentizität. Solange bestimmte Regungen in einem Menschen unterdrückt und abgespalten sind, ist er korrumpierbar, schwach und beeinflussbar, weil er durch die Vereinigung mit äußeren Polen versucht, den fehlenden inneren Pol zu ersetzen. Ob durch Menschen, durch Besitz, durch Ziele oder Süchte … Er hat damit keine Chance zu sich selbst als Einssein aufzusteigen.
Wenn alles schlimm sein darf, ist nichts mehr schlimm. Diese Eröffnung führt in die Stille, die jeder Bewegung innewohnt. Sie führt in das selbstgewisse Herz des Lebens, das völlig gleichmütig als alles in Erscheinung tritt, als was es sich zeigt.
Kapitel
Der gleichgültige
Blick der Liebe
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Zu sein, (wo man ist) beinhaltet keine Auswahl zu haben, bezüglich dessen was erlebt wird. Nur der Blick aus dem Verstand heraus sieht darin einen Verlust. Keine Auswahl treffen zu müssen, weil sie sowieso nicht getroffen wird, da noch nicht mal der Gedanke daran auftaucht, ist absolute Freiheit. Es ist absolute Freiheit, direkt zu erleben, was auftaucht.
Wenn erlebt wird, was auftaucht, wird es vollständig wahrgenommen. Diese vollständige Wahrnehmung wird eben nicht durch einen Gedanken über das Erleben verzerrt. Selbst wenn dieser auftauchen sollte, wird auch er als das wahrgenommen, was er ist: Ein Gedanke über das,was auftaucht, dessen Inhalt irrelevant ist.
Das, was ist, ist Wahrnehmung selbst. Sie ist das zu Hause, das der Mensch von Anbeginn der Zeit an sucht, sie ist das, was ihn von Anbeginn der Zeit begleitet, ja worin er eingebettet ist, was er allerdings nicht sieht. Es ist Wahrnehmung, die sich ihrer selbst bewusst ist. In ihr tauchen Gedanken auf, in ihr taucht die Zeit auf, die auch nichts anderes, als ein Gedanke ist. Aber Wahrnehmung steht ihr vor, sie ist, was glüht, ohne zu glühen. Sie ist da.
Was ist das – Wahrnehmung? Niemand kann es sagen. Weil sie nichts Sagbares ist. Sie kann nur auf einer Ebene erfahren werden, die keine Erfahrung ist. Es ist eine geistige Ebene, die selbst von Geist befreit ist. Sie kann nur gesehen werden auf eine Weise, die von Sehen befreit ist. Hier ist auch Ekstase angesiedelt. Wahrnehmung, die sich ihrer selbst bewusst ist, ist Ekstase. Aber nicht das, was sich der begrenzte Verstand unter Ekstase vorstellt. Es ist keine berstende Glückseligkeit, die ihr unfassbares Glück durch glasige Augen und offene Münder verströmt.
Es ist Sein, das sich selbst erfährt. Aus diesem Sein heraus, in dieses Sein hinein ergießt sich das, was ist. Und das, was ist, wird gesehen als das, was ist. Weil es aus dem Heilsein erfahren wird. Es wird nicht mehr verzerrt durch Ideen darüber, durch Wertungen darüber, durch eine Meinung. Es wird wahrgenommen ohne Eigenes, weil es des Eigenen im Heilsein nicht bedarf. Es ist sich selbst durch seine Leere so voll, dass es keines, scheinbar äußeren, Zutuns bedarf, um noch voller zu sein, weil das gar nicht geht.
So bleibt alles, was auftaucht, in seinem Wesen unangetastet und kann gesehen werden. Hier zeigt sich jedes Ungleichgewicht, jede Übertreibung, jede Verzerrung, jedes aus der Form geratene Maß, weil es nur gesehen wird und nicht beurteilt. Es kann sich diesem leeren Auge vollständig zeigen. Wir können das, was Wahrnehmung ist, Liebe nennen, weil es Facetten dessen hat, was wir, unter begrenzten Maßstäben, als totale Annahme verstehen.
Und tatsächlich ist Liebe das, was diesem leeren Blick am nächsten kommt. Doch Annahme beinhaltet auch Ablehnung. Das ist allerdings etwas, das nicht vorkommt im Blick dieser Liebe. Wo weder Annahme, noch Ablehnung sind, ist Sein.
Sein ist das, was alles durchströmt. Sein ist das, worin alles erscheint. Sein ist das, was als alles erscheint, was ist. Ich werde sichtbar im und als Sein, als diese,spezielle Ausformung seiner selbst. Es ist eine Entkrampfung, die geschieht, wenn sich das begrenzte Ich im Sein erlöst. Es verschwindet, als wäre es nie dagewesen. Was bleibt, ist die Wahrnehmung der Dinge, die erscheinen. Gefühle, Gedanken, Empfindungen, so, wie sie sind. Alles, das so ist, wie es ist, ist einfach so, wie es ist.
In diesem Sosein gibt es keine Widerstände und damit entfällt das bekannte Schmerzempfinden, das ausschließlich der Verkrampfung des wollenden und nicht wollenden Ich‘s entstammt. Es ist die Verkrampfung, die schmerzt, nicht der Schmerz selbst. So seiender Schmerz, so seiende Angst, so seiender Zorn, sind Erfahrungen, über die nichts Definitives gesagt werden kann, außer, dass sie „so“ sind, wie sie sind.
Voll empfundener Schmerz tut nicht mal weh. Er tut, was er seinem Wesen nach tun soll: Er beugt uns. Das Wesen der Angst ist Sammlung. Das Wesen des Zorns ist Kraft.
Der gleich-gültige Blick der Liebe ist nicht fassbar, weil er nichts ist, was Etwas ist. Nur in absoluter Leerheit, erscheint die Fülle. Fülle ist frei von Sehnsucht, frei davon etwas anders zu wollen, als es ist, weil alles als es selbst erlebt werden kann und darin liegt die Fülle der Leere. Sie erfährt sich als gefühllose Liebe, als seiende Liebe, die keines gefühlsmäßigen Empfindens bedarf, weil sie ist, was sie ist.
Ein unsagbares Leuchten aus sich selbst heraus, das alles erleuchtet, was sich aus ihm heraus formt. Seligkeit ist vielleicht ein Ausdruck, der diesem Leuchten nah kommt. Seligkeit ist eine intrinsische Qualität von Sein, eine die genau so wenig kommt und geht, wie dieser leere Blick, in dem alles in die vorübergehende, wechselhafte Bildhaftigkeit seiner selbst findet.
Alles, was künstlich erscheint, ist eine verzerrte Wahrnehmung des Seins. Es ist ein verzerrter Blick, in dem die Dinge nur verzerrt erscheinen können. Verzerrt ist der Blick dann, wenn ihm jemand vorsteht, der nicht wahrnimmt, dass er der Blick selbst ist, was erst die Verzerrung hervorruft. Es ist eine Spaltung, die als separierter Geist erscheint, eine vorgetäuschte Trennung in bewusst und unbewusst, die eine gespaltene Sicht hervorruft. Im freien Blick gibt es kein Unbewusstes. Das Unbewusste ist ein Produkt der Spaltung, die eine Künstlichkeit per sé ist.
Im vollen Bewusstsein zeigt sich alles, wie es ist, es muss nicht mehr abgespalten und damit in eine künstliche Nacht verbannt werden, um nicht im vollen Licht zu erscheinen. Es ist niemand mehr da, der die Augen verschließen könnte. Die Sonne scheint immer. In ihrem Blick wird sichtbar, was sich zeigt. Was sich nicht zeigt, ist nicht da. Im Heilsein herrscht totale Klarheit und Einfachheit.
Hier beginnt die Wirklichkeit.
Kapitel
Der Mutterboden der Existenz
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Es gibt einen Fotografen, der leidende Menschen fotografiert. Weinende Frauen, bestürzte Männer. Es sind Portraits, die Gesichter zeigen, die das Leben gezeichnet hat. Tränen, Trauer, tiefes Unglücklichsein sprechen aus ihnen. Jedes hat seine ureigene Geschichte. Es sind berührende Portraits. Auch weil sie einen sehr deutlichen Gegensatz zeigen zu den Bildern von Menschen, die wir aus den Medien gewohnt sind: lachend, strahlend, jung, klar und unnahbar.
Ich habe diese Gesichter tief auf mich wirken lassen, habe sie lange angesehen. So viel Leid spricht aus ihnen, so viel Trauer und Verlorenheit. Ist der Mensch grundsätzlich ein leidendes Wesen? Gehört es zum Leben dazu zu leiden? Gehört es zur Amplitude des Lebens, zum Auf und Ab des menschlichen Daseins zu leiden?
Ich glaube ja.
Solange der Mensch diesem Leiden keine tiefe und direkte Aufmerksamkeit schenkt. Solange er in der Abwehr verharrt und damit im Fingerzeig auf den anderen. Solange er sich selbst nicht erkennt als den vollen Ausdruck der ungezügelten Lebendigkeit, des kraftvollen Lebensstromes, der durch seine Sinne und Adern fließt.
Warum fällt es uns so schwer zu erkennen, uns zu besinnen, klar zu sehen und klar zu fühlen?
Wir können uns nicht annehmen, wie wir sind. Wir stoßen uns von uns. Auf die subtilste Art und Weise: unbemerkt. Wir merken es einfach nicht. Wir merken nicht, wie oft wir uns täglich nicht wahrnehmen, unsere Regungen verurteilen und an anderen orientieren wollen. Wie oft wir Kompromisse eingehen, um in innerer Scheinharmonie zu bleiben, um weiter von uns abzusehen, unsere Grenzen zu überschreiten und im Nebel für unser tiefstes Wollen zu verharren.
Aus Angst. Aus Angst vor der Vernichtung. Wir sind nicht geschult darin uns selbst in allen Gefühlen auszuhalten. Uns selbst in jeder Lebenslage zu tragen. Diese Schule ist das Leben selbst. Ihre Lektionen lernen wir ein Leben lang. Ob wir gute Schüler sind, erkennen wir daran, wie konfliktfrei wir mit unseren Empfindungen und Gefühlen sein können, wie still wir sie in ihrem vollen Ausmaß tragen, wie bereit wir sind uns vollkommen sein zu lassen, wie wir sind. Der Hauptgrund für unser Leiden ist, dass uns noch immer etwas fehlt. Etwas, das schon immer da ist, etwas, das uns immer trägt, aus dem wir hervorgehen und das uns niemals verlässt. Es ist das, was wir, durch tiefen Schmerz watend, so mühsam lernen müssen wahrzunehmen:
Den Mutterboden unserer Existenz.
Kaum eine Mutter kann ihn schenken, weil kaum eine Mutter ihn selbst erfahren hat. Es ist nichts, das sich schon von Generation zu Generation weiterverschenkt. Es ist etwas, das wir tief in uns tragen, wie einen Schatz, der gehoben werden will. Es ist etwas, das uns nachdrücklich berühren muss, damit wir es überhaupt wahrnehmen können. Die meisten Menschen kommen damit erst in Berührung, wenn sie tiefes Leid erfahren haben, tiefes, unüberwindliches, unabwendbares Leid.
Denn erst, wenn wir an den Rand der Unausweichlichkeit kommen, werden wir wirklich still. Wenn wir tatsächlich nichts mehr ändern können an dem, wie es ist, werden wir still. Und um diese Stille geht es. Um dieses Schweigen geht es, das uns erstmals hören lässt. Erstmals fühlen, erstmals sehen, erstmals etwas erfahren, das uns verschlossen bleibt, wenn wir in innerem Aufruhr um unser Überleben strampeln.
Und das tun wir, indem wir an unserem Leiden festhalten, indem wir in der Abwehr verharren, indem wir das Unausweichliche nicht zulassen. Wir wehren uns. Wir wehren uns mit Händen und Füßen gegen den Schmerz, die Verletzung, die Angst, gegen alles, was so aussieht, als wäre es gegen uns. Und das kann von einem abwertenden Blick in unsere Richtung, über die übelste Beleidigung, bis hin zum unfassbarsten, gewaltsamsten Kindheitstrauma gehen, das wir bis ins hohe Alter festhalten.
Wir wollen das Selbstgefühl, das wir haben, nicht loslassen. Bis zum Schluss hoffen wir, dass unsere Strategien fruchten werden und wir auf die Art, die wir kennen, in das Glück finden, nach dem wir uns sehnen, in das Glück, das wir kennen, das wir in kurzen Momenten schon erhascht haben, bevor es uns wieder verlassen hat.
Doch das Beharren auf dem Leid, der Fingerzeig auf den anderen, auf die Welt, auf die Umstände, auf die Gesellschaft hält uns in der Isolation gefangen. Es ist das sicherste Gefängnis der Welt. Es ist die chinesische Fingerfalle, der wir nur entkommen können, wenn wir still werden, wenn wir loslassen, wenn wir aufgeben.
Dann fallen wir zurück auf den Mutterboden, der uns schon immer trägt und nährt, der uns hervorbringt und in die Blüte treibt, in den wir wieder eingehen, wenn wir unser Lebenskleid abwerfen.
Es ist das weibliche Prinzip, das in uns Einzug halten muss, damit wir unseren Urgrund erfahren können. Wir sind wie Bogenschützen ohne Bogen, deren Pfeile ungerichtet durch die Gegend schießen. Wir wissen nichts mit uns anzufangen, weil wir keinen Boden unter den Füßen spüren, der uns Halt gibt und uns allumfassend erleben und erfahren lässt.
Wir wollen hin zum Glück und weg vom Unglück, weil wir Angst davor haben Schmerz wirklich wahrzunehmen, ohne uns in ihm zu verlieren, ihn vollkommen zuzulassen, wenn er doch schon spürbar ist! Wir haben Angst vor der Überwältigung, weil wir nicht gelernt haben uns ihm auszusetzen und schießen in einer ewigen Verteidigungshaltung wie wild um uns.
Wir leben im Irrsinn, weil wir kollektiv als Menschheit keine innere Ausrichtung haben, keine Anbindung an uns selbst, solange wir durch den Filter des Überlebensmodus‘ sehen, der uns bewahren will vor der Berührung mit unserer tiefen Einsamkeit, dem vollkommenen Alleinsein in einer feindlichen Welt. Das ist die Information, die noch immer in unseren Genen geschrieben steht, was zeigt, dass unser menschliches Bewusstsein kollektiv noch in den Kinderschuhen steckt.
Nur für ein Kind ist das tief empfundene Alleinsein mit Todesangst verbunden. Ein Verlassenheitsgefühl, das sich aus dem Nichtwahrgenommenwerden durch die Eltern ergibt. Ein Gefühl, gegen das das innere System Maßnahmen ergreifen muss, damit es nicht an die Oberfläche drängt, alles überflutet und zum Kollabieren bringt. Diese Maßnahmen sind fortan jene Abwehr, die wir als Erwachsene immer noch leben. Für die es an der Zeit ist, sich abzulösen, um den Blick auf das unermessliche Geschenk freizugeben, das in uns selbst liegt.
Wir können den Mutterboden in uns selbst erfahren, den Boden, durch den wir ein Leben lang in die Blüte unserer Existenz hinein wachsen, in die freie Sicht auf die unermessliche Weite, die Schönheit und unendliche Möglichkeit der Erfahrung dieses Lebens. Wir können erkennen, dass wir uns nicht verteidigen müssen, weil wir immer nur uns selbst abwehren, wenn wir jemanden töten. Ob wir ihn erschießen oder im Streit verlassen, ob wir ihn verletzen oder belügen, oder vor ihm unsere Gefühle verbergen. Wir verbergen sie vor uns selbst, wir verletzen uns selbst, wir verlassen und erschießen uns selbst.
Jede abwehrende Regung, außer die physische Verteidigung, ist eine Reaktion auf die Abwehr des tiefen Alleinseins, vor dem wir uns als Kinder bewahren wollten.
Wir sind Gehaltene. Wir sind Getragene durch die Existenz selbst. Sie ist die Mutter, die uns hervorbringt, die uns hält, die uns allein aufgrund unserer Anwesenheit liebt, die sich in nichts einmischt und uns still begleitet. Sie hält ihre schützenden Hände über uns, komme was wolle!
Sie ist unbeirrt und kompromisslos, sie hört niemals auf uns zu lieben, sie kennt keine Unterschiede, sie kennt nur die Liebe selbst, die sie ist. Sie ist die Liebe für alles, was aus ihr hervorgeht. Ohne Anfang und ohne Ende. Auf diesem Boden erscheint jedes Kind als Same, der ins Licht seines Lebens drängt. In welches der Wille des Lebens in sich hineinwächst, in seine Art, in seine Bestimmung, in seine ganz spezielle Möglichkeit. Als Tulpe oder Rose, als Hund oder Katze, als Marion oder Beat, als Jürgen oder Barbara, als Gerhard, Elisabeth, Thomas oder Sabine, als Du und als ich, als jeder Mann, als jede Frau.
Wir müssen durch das unermessliche Leid der Angst hindurchfinden, das Leid der Wut, der Abwehr, der Ignoranz, des Widerstandes gegen diese Liebe, die wir so lange nicht glauben können, bis wir von uns lassen. Bis wir uns nicht mehr festhalten an uns selbst, als wären wir eine Rose in der Vase. Eine von ihrer Quelle abgeschnittene Pflanze, die ihre Verlorenheit betrauert und damit bewahrt, bis sie tatsächlich verwelkt.
Wenn wir in unserer Angst stehen bleiben statt vor ihr zu fliehen, wenn wir die Intensität der Wut in uns selbst aushalten, wenn wir den Widerstand in uns lassen können, wenn wir der Unausweichlichkeit unserer Gefühle Raum geben, öffnen wir uns für die Liebe der Existenz selbst, die in ewiger Anwesenheit als Erfahrung ins Bewusstsein dringt, sobald wir bereit sind für diese Unausweichlichkeit unserer Emfpindungen zu sterben.
Dann landen wir immer im Gehaltensein.
Dann kann alles zusammenbrechen, weil wir in, als und mit dieser Liebe niemals allein sind, es niemals waren und niemals sein werden. Wir sind diese Liebe, deren Licht sich Dir zeigt, wenn Du zu ihr wirst, als bedingungslose Öffnung für Dich selbst.
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Heilsein als tiefste Entspannung des Geistes
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Heilsein ist die tiefste Entspannung des Geistes
Heilung geschieht nicht aus dem Inneren des Krebsgeschwüres heraus. Wenn etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist, wenn etwas bösartig mutiert und sich mit selbstzerstörerischen Elementen verbindet, dann kann dort heraus nicht sein Gegenteil entwachsen. Das Einzige, was Aussicht auf Genesung hat, ist die Konzentration auf das gesunde Gewebe. Es geht darum dieses zu stärken, es so kraftvoll mit Energie (spiritueller und materieller Aufmerksamkeit) anzureichern, dass es stark genug ist, das mutierende Gewebe zu integrieren und im Heilsein aufzulösen (zu erlösen).
Wir reagieren mit Operationen auf den Krebs. Mit tödlicher Bestrahlung des Gesamtgewebes, mit chemischer Vergiftung – in der Hoffnung, die kranken Anteile zu zerstören. Wir reagieren mit Krieg gegen den Feind. Was wir oftmals damit erreichen, ist eine Komplettschwächung des gesamten Organismus‘ und nicht selten dadurch seinen Tod. Diese Reaktion auf eine unerwartete, negative Veränderung, geschieht aus der Angst. Sie geschieht aus dem gleichen unverbundenen Geist, der die Krankheit erst hervorgerufen hat.
Das Bild von Krankheit und Heilung ist nichts als eine Metapher für das, was als größere Dimension dahinter liegt. Sehen wir die Gesellschaft und damit die Welt, in der wir leben:
Hier geht es, aus meiner Sicht, in erster Linie darum, wer das Recht und die Möglichkeit hat über die Aktivitäten der Mehrheit der Menschen zu bestimmen. Wer oder was bestimmt über diese Möglichkeit und damit über diese Macht? Es ist die Energie (Aufmerksamkeit), die auf diese Macht gerichtet ist. Davon „ernährt“ sie sich und erhält ihre Potenz. Die Mehrheit der Wähler bestimmt über die ausgeführte Politik. Das ist nichts anderes als die Mehrheit der Energie, die jemand oder eine Sache bekommt.
Worum geht es im Internet? Es geht darum, wer die meiste Aufmerksamkeit für seine Informationen bekommt und damit möglichst viel Influence – also die Macht zur Beeinflussung.
Die Frage ist dabei: Was ist es, das die meiste Aufmerksamkeit bekommt? Hier kann der Blick sich weiten und als überall durchscheinendes Muster die Angst und damit verbunden, die Suche nach Sicherheit entdecken. Schauen wir mit unschuldigem Blick in die Medien, können wir erkennen, dass hier Angst und Schrecken als die Realität verkauft wird, in der wir leben. Überall findet (darin konzentriert) Gewalt, Unglück, Schmerz, Krankheit und Tod statt.
Und in gleichem Maße finden wir Tipps von Experten, die uns das Gegenmittel verkaufen. Sicherere Häuser, Geldanlagen, Versicherungen, Gesundheitsmaßnahmen (…), Dinge, die unser unbefriedigendes Erleben von dieser Welt verbessern sollen und uns, nachdem wir ein schlechtes Gefühl bekommen haben, ein gutes verschaffen sollen.
Hiermit erhält sich ein Teufelskreis aufrecht. Ein reines Perpetuum mobile. Solange die meisten Menschen nicht nach Innen blicken, um dort ihren Bedürfnissen auf den Grund zu gehen, wird eine Nachfrage nach äußerlicher Befriedigung unbewusster Bedürfnisse herrschen. Und damit bleiben wir manipulierbar für Kräfte, auf die unsere Aufmerksamkeit gerichtet ist, weil sie uns scheinbar geben, was wir wollen. Doch dieses Wollen, das allein durch äußere Einflüsse besänftigt wird, hat nie ein Ende. Das Gewebe kann auf diese Weise nicht gesunden, es kann nicht stark genug werden, um die negativen Folgen zu tragen.
Eines zieht das Andere nach sich.
Wenn wir von der Weite in die Tiefe blicken, (oder von außen nach innen) dann können wir erkennen, dass die Art und Weise, wie sich die Welt und ihr Tauziehen abbildet, wiederum nichts anderes ist, als ein Ausdruck der Innewelten eines jeden Menschen. Auch im Inneren bekommen jene Gedanken und Gefühle Deine Aufmerksamkeit, die am drängensten in Dein Bewusstsein kommen. Die dominantesten (lautesten) Gedankenmuster bestimmen Deine Stimmung und DeineTaten. Solange bis Du ihnen auf die Spur kommst und wahrnimmst, was sich in Dir abspielt. Das Prinzip ändert sich zwar nicht, (es wird immer um die Mehrheit in Dir gehen) doch sein Inhalt variiert. Innerhalb Deiner erweiterten Wahrnehmung für Deine inneren Abläufe, ändert sich das, was Du siehst und das, worauf Du reagierst und damit das, was Du erlebst.
Es scheint offensichtlich noch weithin unbekannt zu sein, wie sich Realität tatsächlich bildet: Sie ist ein Ergebnis dessen, wohin sich die Aufmerksamkeit richtet. Du kannst es direkt in Deinem Leben beobachten! Alles, was in Deinem Leben ist, ist eine Folge Deiner Aufmerksamkeit. Das, was nichts mehr mit Dir zu tun hat, daran verlierst Du automatisch das Interesse und damit verliert es Deine Aufmerksamkeit, Deine Energie und es verschwindet aus Deinem Leben.
Es ist nicht mehr Teil Deiner Realität. Genauso kommen die Inhalte in Dein Leben, für die Du Interesse entwickelst und damit wieder Aufmerksamkeit, die sich ausrichtet und ins Erleben „holt“, was anvisiert wird. Je bewusster Dir dieser Vorgang ist, um so offensichtlicher wird Dir jene Ausrichtung, die Dinge in Dein Leben holt, die aufgrund von Zwangsgedanken angepeilt werden. Und das sind immer Dinge, Situationen oder Menschen, die Dir kurzfristig vielleicht Befriedigung verschaffen, Dir aber langfristig schaden.
Die Welt, die wir erleben, ist der direkte Ausdruck eines kranken und damit aus dem Gleichgewicht geratenen Geistes, der dahinter steht. Aus diesem Geist heraus kann kein Gleichgewicht erwachsen. Denn dieser Geist dient der Abwehr und nicht der Integration. Wir wehren ab, was wir nicht wollen und holen herbei, was wir stattdessen wollen. Das, was wir nicht wollen, wird als bedrohliche Möglichkeit ins Unendliche potenziert: Krankheit und Tod, zum Beispiel.
Es gibt keinen medialen Ort, an dem wir ihnen nicht begegnen und da Sicherheit eines unserer Grundbedürfnisse ist, hält sie unsere Aufmerksamkeit solange an Bedrohungen gebunden, bis wir sie von dieser Ausrichtung (er)lösen. Wir schaffen das tatsächlich nur durch den Verlust des Interesses daran, nicht etwa durch den endlosen Versuch sicher zu werden…
Die Antwort auf diese kranke Welt kann nicht Abwehr sein. Genausowenig, wie Wegmachen, eine intelligente Antwort auf eine Krankheit ist. Kurzfristig sieht es so aus, als könnten wir damit etwas erreichen. Doch langfristig sehen wir uns entweder wieder den gleichen oder neuen und schlimmeren Problemen ausgesetzt.
Wenn wir den Blick noch weiter spannen, erkennen wir auch warum: Wir leben in der Polarität. In der Welt der Erscheinungen, die naturgemäß dual ist. Wir leben in Gegensätzen, die ohne einander nicht existieren. In Gegensätzen, die im Zusammenspiel erst das Gleichgewicht erschaffen. Das bedeutet, dass Leben und Tod zwar, wie Tag und Nacht, als separate Eigenständigkeiten erscheinen, doch beide werden im Erleben zur ungeteilten Erfahrung. Das Erleben (Die Wahrnehmung) ist das, was beide miteinander verbindet.
Du bist, wer den Tag erlebt. Du bist, wer die Nacht erlebt. Du bist immer da, ob Tag ist oder Nacht. Du bist, wer das erlebt, was darin auftaucht: Die Vitalität bei Tag, die Müdigkeit bei Nacht. Den Regen wie die Sonne, die Stille vor dem Sturm, sein tatsächliches Wüten und den Neubeginn danach. Du bist nie ein anderer, Du bist stets das Erleben selbst. Immer anwesend. Nie weg. Es sieht zwar so aus, als würden wir kommen und gehen, wie Tag und Nacht, doch das ist die gleiche Täuschung, wie die Annahme, die Sonne würde tatsächlich auf- und untergehen. In Wirklichkeit scheint sie nie nicht …
Wer ist nur diese eingebildete Macht, die Tag und Nacht voneinander trennt? Wenn ich die Krankheit von mir trenne, dann verneine ich ihre Existenz. Doch alles, was existiert, aber verneint wird, wehrt sich. Es drängt sich um so mehr in den Vordergrund, bis es gesehen und damit wahrgenommen und damit in seiner Existenz bestätigt wird.
Von Dir.
Wir brauchen kein Umdenken. Wir brauchen eine völlig andere Perspektive.
Die Perspektive, um die es geht, ist die Offenheit für alles, was im Blick Deiner Augen, im Hören Deiner Ohren, im Riechen Deiner Nase, im Fühlen Deiner Hände, im Schmecken Deiner Zunge, im Licht Deines Geistes und in der Stille Deines Herzens erscheint.
Nur diese Offenheit erlaubt uns wertfrei die Qualität all dessen wahrzunehmen, was in uns erscheint. Dann werden unsere Bewegungen natürlich, weil nicht abwehrend, sondern empfangend und aus diesem Empfang heraus handelnd. Wir gehen dort weg, wo es uns stinkt. Wir entfernen uns von den Menschen, die uns nicht gut tun, wir halten uns nicht dort auf, wo wir direkt empfangen, dass wir nicht willkommen sind. Wir gehen in Resonanz und erkennen Dissonanz. Wir vertrauen zutiefst unserer Wahrnehmung und sagen, was wir sagen, tun, was wir tun und halten uns selbst in all unseren widersprüchlichen Reaktionen aus. In all unseren Regungen. Wir hören auf als Polarität zu leben und fangen an Polarität wahrzunehmen.
Als wahrnehmende Instanz sind wir der heile Ort an dem alles zu sich kommt, wie es will und nicht, wie „ich“ will. Ich trennt, Ich isoliert, Ich bekämpft, Ich verteidigt, Ich fühlt sich tief in seinem Urgrund getrennt und damit immer allein. Und dieses einsame Alleinsein versucht es permanent zu überwinden. Auf die unintelligenteste Weise. Indem es abwehrt, statt sich einzulassen. Heilung kann nicht aus dem System des Ichgedanken hervorgehen.
So, wie kein Licht aus der Dunkelheit kommt. Einzig, wenn wir uns als die offene, lichte Bühne für unsere vielfältigen Regungen erkennen, sind wir entspannt genug unseren wahren Gefühlen zu begegnen. Sie wirklich wahrzunehmen, ohne sie zu verurteilen, verändern und abwehren zu wollen. Dann können sie uns ihre wahre Geschichte erzählen, ihre echte Botschaft übermitteln, dann kommt es endlich an, was immer von anderen gehört werden soll – von den Eltern, den Freunden, den Geliebten, den Ehemännern, den Ehefrauen … aber niemals gehört wird. Weil das nicht geht. Weil alles Schöne und alles Unheil immer nur in Deiner Wahrnehmung erscheint, die Du bist. Was Du immer übersiehst. Weil Du schon glaubst zu wissen, was das ist. Weißt Du aber nicht.
Du weißt es so lange nicht, bis Du Dich in Ruhe lässt, Dich wirklich entspannst, aufgibst, die Faust öffnest, nirgendwo mehr hinwillst und zutiefst daran interessiert bist in Dich zu blicken, um zu erkennen, wie dieses Universum, das in Dir stattfindet, funktioniert. Hier beginnt die innere Wissenschaft, die absolute Objektivität verlangt. Nur ist diese Objektivität kein kaltes Auge, das sich getrennt wähnt von dem, was beobachtet wird. Es ist ein wohlwollender, offener Blick, der hinsieht, weil er in sich selbst blickt. Es ist ein einfaches Hinsehen ohne Erwartungen.
Es ist jener Blick, den wir uns, ohne es zu wissen, immer von unseren Eltern gewünscht haben. Ein Blick ohne Erwartungen ist ein Blick der alles, was er sieht, in gleicher Gültigkeit (an)erkennt und damit in seiner Existenz bestätigt. Hier wird das Unheile gesehen als das, was es ist: Unheil. Und in dem Moment, in dem es mit diesem Blick wahrgenommen wird, verliert es sein Unheilsein, denn es geht im Blick des Heilseins auf.
Ein wütendes, tobendes, schreiendes Kind beruhigt sich nur dann, wenn es den Raum bekommt eben das zu tun, was es gerade jetzt bewegt. Ohne Einmischung, ohne Belehrung, ohne Veränderung, ohne Aggression, Abwehr oder Ignoranz. Es braucht den aufmerksamen Raum der Eltern, die nur darauf schauen, dass es sich in seinem Kampf mit den Energien nicht verletzt. Dieses Vertrauen brauchen wir. Das Vertrauen, dass das reicht! Nur so lernt es seine inneren Vorgänge wahrzunehmen, indem sich niemand in diese Wahrnehmung einmischt.
Wir brauchen dieses Vertrauen zuerst, um mit uns selbst klar zu werden und mit unseren eigenen, oft unverständlichen und widersprüchlichen Regungen zu sein. Dieses Vertrauen schafft erst den Raum, in dem wir wahrnehmen und sein können, wie wir sind. Da heraus ergibt sich alles für den Umgang mit anderen Menschen. Unsere Beziehungen sind ein direktes Abbild unseres Umgangs mit uns selbst.
Im lassenden, gleich-gültigen Blick der Liebe, zeigt sich Dir Dein Heilsein, das schon immer ist. Es ist so weit und so heil, dass jedes Unheil darin stattfinden darf, weil der sich selbst bewusste, heile, ungeteilte Blick sich in allem selbst erkennt und damit sein grundlegendes heiliges, ganzes, ungeteiltes Sehen im unbewegten Dasein Deines Lebens. Dieser Blick ist die Kraft, die alles bewegt.